15 Jahre im Geschäft und noch kein bisschen müde: Panteon Rococo über Frauen, Politik und ihre Tour-Erfahrungen mit den Ärzten.
v.l.n.r.: Dario Espinosa – Bass; Missael Oseguera – Saxophon; Luis Román Ibarra – Gesang
Panteon Rococo kann man wohl ohne zu übertreiben als Ska-Super-Group bezeichnen. Die elfköpfige Band hat sich 1995 in Mexiko-Stadt gegründet und sorgt mit ihren Live-Shows auch eineinhalb Dekaden später noch für euphorische Party-Stimmung im Publikum. Das haben sie erst kürzlich auf Tour wieder hierzulande eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Im Vorfeld ihres Konzertes beim Campusfestival in Leipzig sprachen wir mit den Jungs in entspannter Atmosphäre über ihre Tour mit den Ärzten, die politische Lage in ihrem Heimatland und das fünfzehnjährige Bandjubiläum.
motor.de: Als partytaugliche Ska-Band seid ihr prädestiniert für Open Air Festivals. Sind euch Shows am liebsten, auf denen ihr unter freiem Himmel spielt?
Luis: Natürlich sind Festivals großartig, gerade an Tagen wie heute. Aber eigentlich bevorzugen wir Club-Shows.
Missael: Am besten kleine Clubs, in denen du die Energie der Fans direkt spüren kannst.
motor.de: Panteon Rococco bestehen aus elf männlichen Bandmitgliedern. Habt ihr jemals darüber nachgedacht, euch weibliche Unterstützung in die Band zu holen?
Luis: Vor zwei oder drei Jahren hatten wir mal eine weibliche Fahrerin. Da mussten wir schon ein wenig drauf aufpassen, wie wir uns auf Tour benehmen.
Dario: Außerdem haben wir Frauen, die für uns die PR-Arbeit und das Booking machen. Und die machen einen super Job. Wir haben auch schon oft mit Musikerinnen zusammen gearbeitet. Zum Beispiel haben wir einen Frauen-Chor auf unserer aktuellen Platte. Nur als festes Bandmitglied hat sich das bisher halt noch nicht ergeben.
Missael: Wir sind eben auch schon ziemlich lange in der gleichen Besetzung unterwegs. Die meisten Bandmitglieder sind seit 1996 dabei. Und es ist gar nicht so einfach, so lange Zeit in der gleichen Besetzung zu spielen, gerade bei so vielen Musikern. Aber wir haben es geschafft.
motor.de: Ihr wart auf Tour mit den Ärzten. Farin Urlaub soll außerdem ein großer Fan von euch sein.
Missael: Zuerst hat wohl Rod von den Ärzten ein Konzert von uns in Hamburg gesehen und meinte dann: „Hey, ich habe gerade eine tolle Band aus Mexiko gesehen…“ Irgendwie kam es dann zur gemeinsamen Tour, wobei wir vorab eigentlich keinen Kontakt zu ihnen hatten.
Dario: Dann war es aber großartig mit ihnen zu Touren. Sie sind eine der größten Bands in Deutschland und sehr professionell. Es war toll, vor so vielen Leuten zu performen. Im letzten Jahr haben wir dann noch ein paar Shows mit Farin gespielt. Wir wussten erst gar nicht, dass Die Ärzte in Deutschland so populär sind. Immerhin sind sie hier bekannter als Metallica oder Guns’n’Roses. Aber am Ende der Tour wussten wir auch warum.
Missael: Sie sind tolle Musiker und noch großartigere Menschen. Farin und Rod sprechen außerdem sehr gutes Spanisch. Und mit Bela kann man sehr gut feiern.
motor.de: Ihr unterstützt die Zapatista-Bewegung in Chiapas im Süden Mexikos. In Deutschland hört man aber häufig nur vom Drogenkrieg in eurem Heimatland. Wie ist die politische Lage in Mexiko derzeit?
Luis: In Mexiko geht es zurzeit etwa so zu, wie in den 80er Jahren in Kolumbien. Die Gewalt wird immer schlimmer und viele unschuldige Menschen sterben in diesem Krieg. Jeder weiß aber, dass das Drogengeschäft fest in der Hand der Regierung liegt. Wir sind sehr von der Regierung enttäuscht. Das Militär bekämpft auch nur einige der Drogenkartelle, während andere komischerweise den Anbau unbehelligt fortsetzen können. Viele Mexikaner bekommen von dem Ganzen aber gar nicht so viel mit. Nur an bestimmten Orten in Mexiko fürchtet man sich vor den Drogen-Bossen.
motor.de: Aber wie sieht es in den Gebieten aus, in denen die Zapatistas aktiv sind? Viele Musiker, wie z.B. Rage Against The Machine oder Anti-Flag haben ja ebenfalls ihre Soldarität mit der Bewegung zum Ausdruck gebracht.
Luis: Nach 15 Jahren gibt es immer noch viele Probleme. In den Bergen und im Jungle von Chiapas kann man nachwievor große Armut beobachten. Die Probleme sind also eigentlich die gleichen geblieben. Es gibt aber auch noch häufig Provokationen von der Regierung und vom Militär. Sie schauen ständig, was dort passiert und wie man die Zapatistas schwächen kann. Immer wieder fragen uns auch Leute, warum wir überhaupt noch über Chiapas reden.
motor.de: Weil sich kaum etwas zum Besseren gewendet hat?
Luis: Genau. Aber wir haben von den Idealen dieser Bewegung so viel gelernt und übernommen. Zum Beispiel uns in unseren Jobs als Musiker eine gewisse Autonomie zu bewahren. Panteon haben ihr eigenes Label und ihr eigenes Studio. Wir versuchen also die Ideale der Zapatistas in unserer Band zu verwirklichen.
motor.de: Habt ihr von der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko etwas mitbekommen?
Luis: In Mexiko gibt es ein Sprichwort: „Oh Mexiko, so weit weg von Gott und so nah an den Vereinigten Staaten.“ Solche Sachen passieren ununterbrochen. Nicht nur was Öl angeht. Auch der nukleare Müll aus den USA wird hinter der mexikanischen Grenze deponiert. Oder schau dir diese rassistischen Gesetze in Arizona an (motor.de berichtete). 60% der Menschen, die dort arbeiten sind Mexikaner. Würden die alle zurück nach Mexiko gehen, wäre Arizona am Ende. Es ist schlimm, dass es überhaupt noch zu solchen Gesetzen kommt.
motor.de: Panteon Rococo feiern dieses Jahr ihr 15-jähriges Jubiläum. Als die Band 2005 zehn Jahre alt wurde, kamen ein Album und eine DVD namens „10 Anos“ heraus. Habt ihr auch für den 15. Band-Geburtstag etwas geplant?
Missael: In Mexiko haben wir in einer Sport-Arena eine riesige Release-Party zu unserem aktuellen Album gefeiert. Das war eine wichtige Sache für uns, da in dieser Arena zwar schon viele große internationale Acts gespielt haben, aber vor uns erst fünf oder sechs Bands aus Mexiko. Außerdem ist der fünfzehnte Geburtstag etwas Besonderes in Mexiko, etwa als wenn man in den USA „sweet sixteen“ wird. Wir wollten unseren Fans zeigen, dass wir noch da sind und sogar stärker als je zuvor.
Dario: Außerdem wird erstmals ein Konzert von uns im Fernsehen übertragen. Das ist gerade in Mexiko nichts Alltägliches. Aber wir werden auch mit unseren Fans in Europa auf unseren Liveshows das Jubiläum feiern. Es ist schließlich schon etwas Besonderes, bei so vielen Bandmitgliedern nach fünfzehn Jahren noch dabei zu sein.
Text und Interview: Thomas Kasperski
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