Popkomm 2008: Radio Award für neue Musik
Der motor.de-Augenzeugenbericht

Es erschien zunächst wie eine kleine Privatparty der Radiobranche. Promoter, Labelmitarbeiter, Redakteure und Moderatoren sahen sich mal wieder, fachsimpelten, tranken, aßen und nebenbei spielten da auf der Bühne die ersten zwei Indie-Bands um den Radio Award und die 5000 Euro Preisgeld.

Moderation

Auch wenn sich die Moderatoren Raffaela Jungbauer und Stefan Michme von Anfang an alle Mühe gaben, die Aufmerksamkeit auf die Bühne zu lenken (sie in Strapsen und zu kurzem Kleid, er mit komplett heiserer, zum Schluss sogar gänzlich ohne Stimme) – es blieb ein hartes Publikum. Den Bands konnte dies eigentlich egal sein, galt es doch eher die Jury zu überzeugen. Zu den Juroren zählten übrigens Stefanie Kloß (Silbermond), Alex Richter (Geschäftsführer Four Artists), Patrik Majer (Produzent von Wir sind Helden, etc.) sowie die Musikchefs der ARD-Jugendprogramme MDR SPUTNIK, YOU FM (hr) und Fritz (rbb).

Mein Mio machen den Anfang

Den Beginn machte die Berliner Rockband Mein Mio, die jedoch weniger rockig als eher sanft melancholisch und mit großer Instrumentation daher kam. Nach vier oder fünf gefühlvollen Stücken eine kurze Umbaupause, der Running-Gag von Michme („Ich suche immer noch meine Stimme“) gefolgt von der Zurschaustellung seiner Dj-Künste und schon stand Band Nr. 2 auf der Bühne: Chapeau Claque.

Die Gruppe rund um die Sängerin Maria Antonia Paula Schmidt (mit gerade mal 22 bereits seit 11 Jahren Musikerin!) war aus Erfurt bis zum Berliner Messegelände gereist, um ihren melodiösen Elektropop zu präsentieren. Kleines optisches Highlight: ihr Schwanenkleid. Wenige Songs später schritten die Moderatoren abermals die Treppe zur Bühne hinab, baten um Applaus (Michme um Helfer, die seine Stimme suchen) und ein wenig Geduld bis zum nächsten Teilnehmer: Bonaparte.

Bonaparte mischen auf

Als diese internationale Truppe kurz darauf die Bühne enterte, kippte auch die Stimmung im Saal. Die drei Bandmitglieder mit Masken, Hasenohren und reichlich Schminke gingen voll dagegen. Unterstützt von ebenso skurrilen Tänzern, die mit ihrer Mischung aus Zirkus- und Fetisch-Performance den eher simplen Punkrock ergänzten, wurde das Haus aufgemischt. Die Gespräche verstummten, die Löffel wurden kurz beiseite gelegt. Bonapartes Entertainment-Programm zog alle Aufmerksamkeit auf sich und hinterließ neben einigen Kunstblutspritzern auf der Bühne vor allem einen bleibenden Eindruck.

Cargo City schließen ab

Kein leichtes Los für die letzte Band Cargo City. Die Frankfurter, die von Michme mittlerweile nur noch flüsternd anmoderiert werden konnten, kehrten optisch und stilistisch eher zu den ersten Auftritten zurück. Das Quintett spielte seine Akustik-Indie-Popsongs und erinnerte hier mal ein wenig an einen R.E.M. Song und da mal ein wenig an Brian Molko. Dann war der Wettkampf auch schon vorbei und die Jury zog sich zurück.

Die Siegerehrung

Bis zur – zumindest von den Bands mit Spannung erwarteten – Siegerehrung (das Publikum war zur Anfangshaltung zurückgekehrt), versuchten einige Radio- und TV-Teams, O-Töne und Prognosen über den Ausgang zu erhaschen. Schließlich war es endlich soweit. Moderatoren und die Silbermond-Steffi als Juryvertreterin traten auf die Bühne. Übliche Floskeln, dass man die Bands ja eigentlich nicht vergleichen könne und jeder für sich ein Gewinner sei, zögerten die Urteilsverkündung ein wenig in die Länge. Michme war gar nicht mehr zu verstehen und letztendlich spannte man die Zuschauer doch nicht mehr länger auf die Folter: „The Oscar goes to… Bonapaaaarte!“ (oder so ähnlich).

5000 Euro?!

Dann natürlich die Frage: „Was macht ihr jetzt mit dem Gewinn?“ Nach ihrem Auftritt erschien die Antwort des Bonaparte Frontmanns Tobias Jundt schon fast ein wenig unkreativ: „Erstmal warme Nahrung zu uns nehmen.“ Es folgten zwei Zugaben der Sieger, bevor sich die Veranstaltung langsam in Richtung weiteres Abendprogramm der Popkomm aufzulösen begann.

Kai-Uwe Weser