Während die deutsche Musikwelt noch verwundert in Richtung Berlin schaut, öffnete die c/o pop vom 12. bis zum 16. August ihre Pforten zu einem vielseitigen Programm rund um das Thema Pop Culture 2.0.
Die Popkomm sagte man in diesem Jahr ab, doch in Köln stellten sich die Vertreter der Musikindustrie an diesem Wochenende der mittlerweile sechsten c/o pop lieber gemeinsam die Frage, wie es weiter gehen kann in den Zeiten des Web 2.0. Bei Diskussionen, Vorträgen und Meetings besprachen sie Ideen, erhielten Anregungen und informierten sich über Wege und Möglichkeiten in der Kreativwirtschaft. So fragte man nach dem Stellenwert von MySpace, diskutierte über die Rolle des geistigen Eigentums in den Weiten des Internets und schuf bei zahlreichen weiteren Veranstaltungen eine Plattform der internationalen Kommunikation für Beteiligte aus verschiedensten Tätigkeitsbereichen.
Doch das Herz der Musikwelt bleibt natürlich die Musik selbst. Während also bei der Convention eifrig diskutiert wurde, konnten sich die Festivalbesucher auf ein hervorragendes Line-Up freuen.
Eröffnet wurde die diesjährige c/o pop von einem musikalischen Highlight: Am Mittwochabend spielten Beirut in der ehrwürdigen Philharmonie. Wer seine liebsten Bands sonst immer nur in zu großen Konzerthallen oder stickigen Clubs zu Gesicht bekommt, dem wurde mit dieser besonderen Location eine angenehme Abwechslung geboten. Ein hervorragender Klang und beste Sicht von allen Plätze gaben dem eindrucksvollen Auftritt von Wunderknabe Zach Condon und seiner Band den verdienten Rahmen.
Beirut
Was die Musiker ihren Instrumenten vom Akkordeon bis zu Trompeten entlocken, klingt nach musikalischem Fernweh, nach weit entfernten Orten, die man unbedingt einmal besuchen möchte, wüsste man, wo sie liegen. Ein von der Band interpretiertes Cover des französischen Chansonniers Serge Gainsbourg tat an diesem Abend sein Übriges und so gab das Publikum sich nicht mit einer Zugabe zufrieden, sondern applaudierte noch im Stehen, als die Lichter schon längst wieder angegangen waren. Beirut ließen sich bitten, doch sie kamen noch einmal zurück. Daraufhin stürmten zahlreiche Zuschauer die Bühne, wo sie in einem Kreis um die Band bis zum Schluss feierten.
Lange in Erinnerung bleibt denen, die dabei waren, wohl auch das Konzert von Patrick Wolf – wenn auch leider nicht ausschließlich aus musikalischen Gründen. Doch dass der Sänger die Techniker, die ihm den Ton abdrehten, um sich an Verordnungen zum Lärmschutz zu halten, bewarf und bespuckte, sei hier nur eine Randnotiz. Vor seinem impulsiven Abgang beeindruckte Wolf mit einem emotionalen und musikalisch ausgereiften Konzert, phantasievollen Kostümen und gekonnten Posen, darunter – ganz im Geiste Michael Jacksons – der Griff in den Schritt. Schillernde Selbstinszenierung traf hier auf epische, teils düstere Songs, auf Geigen und Synthie-Klänge, irgendwo zischen Indie, Elektro und Folk.
Patrick Wolf
Der Brite spielte an diesem Abend eine Auswahl an Songs seiner vier Alben, darunter auch die bewegende Ballade „Blackdown“ und seine aktuelle Single „Hard Times“. Doch zum großen Finale soll es leider nicht mehr kommen. Patrick Wolfs jähzorniger Abgang – gerechtfertigt oder nicht – vervollständigte das Bild eines Künstlers, für den Musik schiere Leidenschaft ist, die er bis in die letzte Konsequenz auf die Bühne trägt.
Lange vorher ausverkauft und dementsprechend gut besucht war der Auftritt von The Whitest Boy Alive am Freitag. Der Regen hatte sich an diesem Tag endgültig aus der Domstadt verzogen, man freute sich auf einen lauen Sommerabend mit wie dafür gemachtem Indiepop. Entspannt und mit sichtlich Spaß an der Sache begannen Erlend Oye und seine drei Berliner Bandmitglieder ihr Set, unterstützt von einer Plastik-Ananas, die das Keyboard zierte. Gefällige Gitarrenakkorde, konsequenter Groove und die sanfte Stimme des Frontmanns laden gern auch mal zum Träumen ein, an diesem Abend auf dem Kölner Offenbachplatz aber vor allem zum Jubeln, Hüpfen und Tanzen – sei es zu bandeigenen Stücken wie „1517“ oder „Burning“, aber auch zu dem von der Band gern gecoverten 90er Disco-Hit „Show Me Love“.
The Whitest Boy Alive
Doch wie es so ist bei einem Festival, mussten die Besucher sich auf die süße Qual der Wahl einstellen. Überall wimmelte es von Musikern, die auf den Bühnen und in den Clubs der Stadt ihre eigene Form der Popkultur auslebten. Da waren der Singer/Songwriter Bill Callahan, Metronomy und die viel versprechenden Bonaparte, Elektro-Rap-Nachwuchs Amanda Blank und die kompromisslos garagenrockigen Black Lips, sowie, ebenfalls in der Philharmonie, die deutschen Indie-Pioniere The Notwist, um nur einen Teil der auftretenden Künstler und Bands zu nennen. Nicht zu vergessen die zahlreichen DJs, darunter namhafte Acts wie Ellen Allien, die im Anschluss an die Konzerte für lange Clubnächte sorgten.
Black Lips
Verschiedene Ausstellungen und eine lange Verkaufsnacht, sowie der „Super Markt“, bei dem Designer ihre Stücke zum Verkauf anboten, rundeten das Event ab.
Mit diesem vielseitigen Programm gelang es den Machern der c/o pop, einen ebenso bunten wie informativen Ausschnitt aus dem Bereich der heutigen Popkultur zu bieten. Dass man sich Patrick Wolfs Ausraster nur kurze Zeit später bei YouTube ansehen konnte, gehört ebenso dazu, wie die immerweißen Macs in den Räumen der Convention und – heute wie jeher – von Musikbegeisterung ergriffene Zuschauer. Willkommen zur Pop Culture 2.0.
Text und Fotos: Sarah Schaefer
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