Gerade erst wurden die Goldenen und Silbernen Bären der Berlinale überreicht, da steht auch schon die Oscar-Verleihung vor der Tür.
Preise und Auszeichnungen kann man in der Filmbranche wohl einfach nie genug bekommen! Und seien wir mal ehrlich: wenn man sich ein wenig Mühe gibt, lässt sich doch an jedem Film irgendetwas finden, was sich mit einer Ehrung bedenken ließe. Auch die neuen Filme dieser Woche stellen da keine Ausnahme dar, weswegen wir an dieser Stelle ebenfalls mal ein paar Preise verleihen möchten.
„Milk“
Bester Oscar-Favorit: Sehenswert sind sie eigentlich alle, die Filme die in diesem Jahr für den Oscar nominiert sind. Doch wenn es einen gibt, der vielleicht noch ein bisschen besser ist als die anderen, dann ist das Gus van Sants „Milk“. Weil Sean Penn so fantastisch, die Inszenierung so sensibel und die Geschichte vom Leben und Sterben des ersten schwulen US-Politikers so bewegend ist. Schade nur, dass der Film beim Oscar letztlich doch chancenlos sein wird gegen „Slumdog Millionär“. Aber wie gesagt: sehenswert ist auch der!
„Nick & Norah – Soundtrack einer Nacht“
Amüsantester Toiletten-Gag: Ekel-Humor in Kinokomödien ist eigentlich total „last season“ und sowieso schwer zu ertragen. Umso erstaunlicher, wenn es mal einem Film gelingt, sich auf das Niveau von Körperausscheidungen und Toilettenspülungen zu begeben und dabei trotzdem amüsiert. In „Nick & Norah – Soundtrack einer Nacht“ (»hier geht es zur passenden Verlosung) liegt das am grandiosen Comedytalent der wunderbaren Nebendarstellerin Ari Graynor. Aber auch daran, dass der Rest dieser hübschen Teenie-Liebesgeschichte wirklich niedlich, charmant und mit guter Musik unterlegt ist.
„Der Ja-Sager“
Hinreißendste Filmretterin: Wirklich preisverdächtig ist wenig an „Der Ja-Sager“, einer eher mäßig amüsanten Komödie, in der Jim Carrey wieder Grimassen schneiden darf, die auch schon mal witziger waren. Aber tatsächlich gibt es einen guten Grund, sich den Film trotzdem anzusehen: Zooey Deschanel. Wie schon in „The Happening“, „Buddy – Der Weihnachtself“ oder „Zum Ausziehen verführt“ ist sie das einzige Highlight, das den Film fast im Alleingang vor der Katastrophe rettet.
„96 Hours“
Brutalster Papa: Eine fragwürdige Ehre zwar, aber vermutlich interessiert sich der Protagonist in der ultrabrutalen Luc Besson-Produktion „96 Hours“ ohnehin wenig für Auszeichnungen irgendwelcher Art. Schließlich muss er eilig seine Tochter aus den Händen von fiesen Mädchenhändlern befreien, dabei halb Paris meucheln oder zerlegen und nebenbei noch so viele Selbstjustiz-Klischees wie möglich bedienen. Immerhin: wer immer schon mal Oskar Schindler als Badass sehen wollte, kommt auf seine Kosten, denn die Hauptrolle spielt Liam Neeson.
„Der Knochenmann“
Schwärzester Humor: Um diese Kategorie zu gewinnen, muss man vermutlich aus Österreich kommen, so wie „Der Knochenmann“ von und mit Josef Harder. Der Plot der Krimikomödie mit kannibalistischem Clou ist zwar gar nicht bahnbrechend originell. Aber er wird eben so fies und ätzend präsentiert, dass man als Nicht-Gutmensch wieder gar nicht anders kann als vor Wonne zu zergehen. Ganz zu schweigen davon, dass mit Josef Harder und Berlinale-Gewinnerin Birgit Minichmayr zwei Ausnahmeschauspieler mit von der Partie sind, die sich mit Auszeichnungen bestens auskennen.
„Ein Leben für ein Leben – Adam Resurrected“
Comeback der Woche: Man hatte ihn fast vergessen, doch mit „Ein Leben für ein Leben – Adam Resurrected“ meldet sich Jeff Goldblum fulminant zurück. Eine Zeitlang kannte dank „Jurassic Park“ und „Independence Day“ jedes Kind die prägnante Nase von Herrn Goldblum, doch fast alles was danach kam, verschwand unverzüglich in den hintersten Ecken der Videothek. Von seinem neuen Holocaust-Drama mag man nun halten, was man will. Aber das es hier einen begabten Schauspieler wiederzuentdecken gilt, steht außer Frage.
„The Times of Harvey Milk“
Lohnenswerteste Wiederaufführung: Um zum Abschluss unserer kleinen Preisverleihung noch den Bogen zum Anfang zu schlagen, sei noch auf „The Times of Harvey Milk“ verwiesen. Die Dokumentation aus dem Jahre 1984 kommt parallel zu van Sants „Milk“ noch einmal in die Kinos – und ist schon wegen der noch größeren Wissensdichte mindestens so sehenswert wie jener Spielfilm. Aber das ist natürlich keine Neuigkeit, schließlich wurde Rob Epstein dafür schon vor 24 Jahren mit einem Oscar belohnt!
Patrick Heidmann
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