Noch wie heute sehe ich meine Erdkundelehrerin vor mir, wie sie uns mit drohender Stimme das Schreckensszenario vom demographischen Wandel an die Tafel skizzierte. „Urne“ schrieb ich mir in meinen Hefter, unter diesen Graphen der die Altersverteilung in Deutschland im Jahre 2050 prognostizierte. Doch dass sich die ersten Auswirkungen, dieser damals so weit weg klingenden Verheißung so rasch zeigen und so überholt anhören würden, hatte ich mir nicht vorstellen können.
Anzeichen, dass da bald etwas kommen würde, gab es durchaus. Oder wie hätte man sonst die Marusha Tourplakate im vergangenen Jahr deuten sollen? Hören wolle das ja bestimmt niemand mehr, dachte ich mir beim Anblick der auf Neuzeit getrimmten Werbetafeln. Doch mit dieser Vermutung lag ich offenbar daneben.
In diesen Tagen springen sie mir wieder ins Gesicht, die ganzen Seligs, Guano Apes, Smashing Pumpkins und The Prodigys. Penetrant und multimedial flehen die Alten uns geradezu an, ihnen noch einmal zuzuhören. Und ja, wir hören ihnen offenbar noch einmal zu. Und wir zahlen bereitwillig auch, ich vermute aus Mitleid, ihre überzogenen Eintrittspreise.
Ist das noch eine Form des Künstleraufbaus, langwierig aber notwendig um die Gruppen dauerhaft als Marken in unseren Köpfen zu platzieren? Vielleicht gibt es ja nicht genug Neues. Oder zu viel. Vielleicht war aber auch die Vergangenheit so super, dass wir sie uns jetzt schon wieder zurückwünschen. Mich erinnert das alles mehr an die hässliche aber ertragreiche Erfindung der Zweitauswertung, die mit dem Sampler einen ihrer hartnäckigsten Vertreter hervorbrachte.
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