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Sie brauchen sein Gesicht

Ob Ideengeber oder Frühstücksdirektor – Justin Timberlake hat das darbende MySpace mitgekauft. 

Fast wie im richtigen Leben: Justin Timberlake als Sean “Napster” Parker und Jesse Eisenberg als Mark “Facebook” Zuckerberg. 

Wie soll man sich das eigentlich genau vorstellen? Kommt der Abteilungs-Chef jeden Tag früh ins Büro und studiert die Akten, die ihm seine engsten Mitarbeiter vorbereitet haben? Präsentiert er im Wochenmeeting tolle neue Ideen, wie man alles noch viel besser machen müsste? Wie man den in letzter Zeit zu Hauf weggebliebenen Kunden das eigene Produkt endlich wieder schmackhaft machen könnte? So wird es wohl eher nicht laufen. Und bis jetzt hat die Abteilung, der Justin Timberlake irgendwann ab Sommer vorstehen soll, auch noch nicht mal einen Namen, er noch keinen der immer so eindrucksvoll klingenden Branchentitel. Nur die Verbraucher, die bleiben tatsächlich schon lange weg, sie heißen hier „User“ und können auch „Freunde“ sein.

Etwas über eine Million „Freunde“ hat Justin Timberlake im Moment. Noch, möchte man allerdings hinzufügen, denn die Firma heißt MySpace und sie wird im Moment als der große Loser des Internet-Hypes der letzten zehn Jahre gehandelt. Es ist eine Firma, die damit leben muss, dass sie als „verscherbelt“ gilt. Es mag einem ja auch wirklich kein freundlicheres oder wenigstens neutraleres Wort einfallen, 580 Millionen Dollar kostete sie den Medienunternehmer Rupert Murdoch vor gerade mal sechs Jahren, seitdem hat sie praktisch immer nur Geld verbraucht (nicht, dass einem das irgendwie leid tun würde angesichts der stramm reaktionären und monopolversessenen Ausrichtung von Murdochs News Corp.) und wurde jetzt für gerade noch 35 Millionen Dollar an eine Werbefirma verkauft, die man guten Gewissens als „no name“ abtun könnte. Wenn da nicht Justin Timberlake wäre.

Timberlake zählt zu den ganz Großen der amerikanischen Pop-Majorleague, gehört zu einer Generation smarter Musik-Yuppies, die innerhalb des Entertainment-Business aufgewachsen und durch und durch mit ihm verwurzelt sind. Wenn es eine Person gibt, bei der man den Begriff Popstar-Karriere lieber auf dem zweiten Wort betonen möchte, ist es Timberlake. Er war Moderator der in den Staaten enorm beliebten Kindersendung „Mickey Mouse Club“ und Mitglied bei N Sync, einer der weltweit erfolgreich durch Manager-Mogul Lou Pearlman vermarkteten Projekte der Hochzeit des Boyband-Booms. Der eigentliche Start erfolgte aber erst danach, als Timberlake sein erstes Soloalbum von den damals schwer angesagten Timbaland und Neptunes produzieren ließ, prompt einige Megahits landete und zu einem der raren Megastars aufstieg, die bis heute auch von Kritikern musikalisch ernst genommen werden. Schon frühzeitig war er auch abseits des Kerngeschäfts Musik – in dem man ihn wirtschaftlich weniger als einzelne Künstlerperson denn als gutgehendes Unternehmen besserer mittelständischer Größenordnung begreifen muss – zu Gange. Als Besitzer eines Plattenlabels natürlich, von dem man freilich noch nie wirklich etwas hörte, vermutlich ist es eher der Branchen-Folklore geschuldet. Außerdem geht es um Streetwear, gehobene Gastronomie oder eine Tequila-Marke.

Eher nicht so beeindruckend: MySpace-Profil von Justin Timberlake. 

Und jetzt also um MySpace. Es kommt einem ein wenig vor, wie das Leben, das einen Film nachspielt, der vom Leben abgeschrieben ist. Vor nicht mal einem Jahr konnte man Timberlake in „The Social Network“ erleben, seine Rolle war die des ganz frühen Facebook-Investors Sean Parker, eine der illustersten Personen des Dotcom-Business und der Musikindustrie gleichermaßen – wenn auch von dieser vorrangig als Feind betrachtet, war er doch Gründer der Ur-Musiktauschbörse Napster und somit der personifizierte Sündenfall, auf den man bequemerweise die fortwährende Krise der Musik- und später auch Filmindustrie pauschal abladen konnte. Von Timberlake selbst sagt man, er würde nur ungern Geld verlieren, 20 Dollar Miese beim Poker reichten schon, um ihm den Abend zu versauen. Diesmal könnte es für etliche Abende reichen.

Wie viel von den 35 Millionen von Timberlakes Konto stammen, weiß man nicht, stemmen könnte er ganz sicher jeden beliebigen Anteil davon. Und ein Büro mit sechs Mitarbeitern wird es tatsächlich geben, in Beverly Hills, am MySpace-Stammsitz. Als „Ideenentwickler“ soll er fungieren, ob das nur die offizielle Bezeichnung für „Frühstücksdirektor mit Starappeal“ ist oder ob sich tatsächlich noch irgendwas reißen lässt, dass nicht als Investmentruine endet, wird sich zeigen. Immerhin hat MySpace ja immer noch das Potenzial seiner unerreicht vielen Bandprofile, auch wenn die gerade in den so wichtigen Imagefragen ebenfalls rapide abbauen. Im Moment ist Timberlake selbst jedenfalls nicht gerade das Musterbeispiel für MySpace-Marketing oder gar das neue Gesicht des Unternehmens. Eine knappe Woche nach Bekanntwerden des Deals gibt es immer noch nur vier Songs von ihm zu hören und keinen davon direkt zu kaufen. Der Seitenheader verweist auf die klassische Homepage, der letzte Blogeintrag stammt von 2009, das letzte Video von 2007. Und die Neuigkeiten werden von seinem Twitter-Team automatisch mitgespeist. (Twitter ist noch so eine Konkurrenz, mit der sich MySpace rumschlagen muss.) So bringt man seine eigene Firma sicher nicht auf Erfolgskurs. Aber wenn man eins aus der Popgeschichte gelernt hat, dann das: Man darf kein Comeback ausschließen.

Augsburg

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