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Weihnachten ist im vollen Gange. Lichterketten, Kerzen und Kitsch gehören ebenso dazu wie festliche Klänge. Was Weihnachten besonders und wie man den Sommer winterlich macht, wissen Smith & Burrows.
Smith & Burrows (Foto: Elli Eberhardt)
Andy Burrows und Tom Smith kennen sich schon seit etwa sieben Jahren. Irgendwann liefen sie sich auf einem Festival über den Weg, als sowohl die Editors als auch Razorlight auf dem Timetable der Hauptbühne vermerkt waren und bemerkten nach etlichen Gesprächen und Treffen, dass sie nicht nur im gleichen Stadtteil Londons leben, sondern in der gleichen Phase ihres Lebens steckten. Da lag es den beiden Vätern nicht fern, einmal gemeinsam den Weg ins Studio zu machen und einen Song aufzunehmen. Smith ist großer Fan von dem Mitte der Achziger veröffentlichten Black Song “Wonderful Life”, sodass sich neben dem Klassiker zusätzlich noch weitere Coverversionen hinzu gesellten, bis daraus das Album “Funny Looking Angels” entstand. “Wir wollten schon seit langer Zeit ein Cover zusammen aufnehmen. Also haben wir ‘Wonderful Life’ aufgenommen, danach ‘Only You’, und irgendwie klangen beide unserer Versionen sehr festlich. Da dachten wir, dass eine Sammlung weihnachtlicher Songs eigentlich eine schöne Idee wäre. Die Originalsongs klingen eigentlich gar nicht so weihnachtlich.”
Smith& Burrows – “Wonderful Life”
Nun wird das Mitmischen in der Weihnachtsindustrie auch in der Musikbranche oft als Geldmacherei bewertet. Wenn man so will: Kommerzkacke, scheinheiliger Seelenfrieden. Viele Musiker wenden sich gegen Industrie, Völlerei und Weihnachten und schreiben Songs, die der Anti-Haltung gegenüber des Festes und dessen Kommerz in der westlichen Gesellschaft frönen. Warum haben Tom Smith und Andy Burrows jetzt eine Platte in der Diskographie, die sich nicht ausschließlich gegen das Fest ausspricht? “Wir mögen Weihnachten. Man kommt zusammen, es gibt tolles zu Essen und vor allem zu Trinken. Das Weihnachtsfest ist eine Konstante, die Ruhe und Heimkehr bedeutet. Es einfach schön, ein paar ruhige Tage mit der Familie verbringen zu können, völlig unabhängig davon, was in der Außenwelt passiert. Man ist abgeschieden vom Geschehen, gefangen in der Festlichkeit, alles um dich gefroren – im postiven Sinne”, sind sich beide einig.
Wenn man nun zum Ende des Jahres ein Album veröffentlichen möchte, braucht man etwa einen Sommer lang, um die Songs aufzunehmen und im Anschluss dauert es noch seine Zeit, bis die Mühle sich bewegt und die Platte wirklich den Weg bis in den Laden findet. Der Sommer war auch in Großbritannien alles andere als sonnig und warm, aber dennoch: Wie stimmt man sich als Mitteleuropäer schon bei lauen Temperaturen auf den Winter ein? “Wir haben einfach einen kleinen Baum ins Studio gestellt. Ich weiß, das können sich viele nicht vorstellen, aber kaum fiel die Tür hinter uns ins Schloss, haben wir an Weihnachten gedacht. Ich erinnere mich nicht, dass uns das irgendwann mal komisch vorkam.” Es sei kein wirkliches Konzeptalbum, und dennoch fielen die Aufnahmen mit dem roten Faden leichter. Smith & Burrows versetzten sich mit simplen Dingen in eine Winterstimmung, wollten eine wärmende, traditionelle Akustikplatte produzieren. “Mir kam ein Schneesturm in den Kopf und wir überlegten, wie wir diesen auf die Platte bekommen. Aus Jux habe ich dann diesen Handstaubsauger genommen und gemeint, das der doch so klinge. Ironischerweise tat er das wirklich, also haben wir ihn einfach als Instrument verwertet”, sagt Smith mit einem Schmunzeln.
Smith & Burrows – “This Ain’t New Jersey”
Während der Konzerte aber, setzten beide wieder auf klassische Instrumente wie ein Flügelhorn, Cello, Mandoline, Klavier und Gitarre. Dass die Tour kurz vor Weihnachten stattfindet, erklärt sich natürlich von selbst. Auch an der Dekoration im Kölner Gloria Theater mangelt es nicht: Zwischen Lichterketten, einer großen Holztruhe, Engelsflügeln, Kerzen und einem Gartenzwerg-ähnlichen Weihnachtsmann rutschte Andy Burrows in dicken Wollsocken mit Norwegermuster über die Bühne. Früher hätte man die beiden für diesen ganzen Kitsch, der dieser Tage irgendwie gar nicht mehr kitschig ist, wahrscheinlich ausgelacht. Heute darf man sowas. Weihnachten bedeutet für die alternative Musikszene offensichtlich nicht mehr unbedingt Spott, Häme, Anti-Gehabe.
Mit zerzauseltem Haar und Acht-Tage-Bart kündigt Andy Burrows den nächsten Song an und nuschelt davon, dass es in Deutschland tolle Weihnachtsmärkte gebe. Er liebt den Glühwein und die Naschereien. Tom Smith wirkt wie ein kleines Kind unter dem Christbaum, als er von seinen Eindrücken des vorher gegangenen Weihnachtsmarkt-Besuches erzählt und deshalb sogar Probleme bekommt, den angekündigten Song anzuspielen. Die beiden haben aber nicht nur Tracks ihres “Funny Looking Angels”-Albums auf der Setlist, sondern auch etliche Editors-Tracks sowie die Songs “America” und “Before I Fall To Pieces”, die Andy Burrows für das 2006 erschienene, zweite Razorlight-Album schrieb.
Smith & Burrows – “America”
Insgesamt scheint das ganze Konzert im Gloria Theater wie ein in sich schlüssiges Konzept. Schon vor Beginn beschallte eine Platte den Raum, die hervorragend zum festlichen Thema passte und die weihnachtliche Stimmung unterstrich. Ein Song darunter war auch R.E.M.s “Nightswimming”, über den Tom Smith noch sagt, dass er den Titel abgöttisch liebt. “Leider haben sich R.E.M. in diesem Jahr getrennt, aber wir werden einen Song von ihnen während unserer Tour spielen.” Verwundert allerdings war der auf dem Mixtape befindliche Elvis Presley-Song “Viva Las Vegas”: “Wir haben den Song aufgenommen, aber er ist nicht mit auf dem Album, weil er nicht so recht gepasst hat. Es würde wohl albern wirken, wenn wir ihn spielen. Aber Mann, war das großartig den zu covern”, sagt der Editors-Sänger. Nicht alles an der Platte sowie dem Konzert von Smith & Burrows ist furchtbar ernst und nachdenklich. Tom Smith gibt sich wie gewohnt in sich ruhend, auf der Bühne jedoch exzentrisch und affektiv und zeigt damit nicht emotionale Größe, sondern erweckt auch im letzten Grinch weihnachtliche Wonnegefühle. “Ich mag Weihnachtssongs, die sich auf irgendetwas brüchiges beziehen. Ich spreche schon von Gier und gebrochenen Beziehungen, von Traurigkeit. Das heißt aber nicht, dass die Songs traurig sein müssen. Irgendwo sollte zwischen dem Traurigen auch eine Hoffnung stecken.”
Smith & Burrows – “Funny Looking Angels”
Mit dem Weihnachtsfest ist auch die Tour von Smith & Burrows vorbei. Die Editors werden sich im Januar in die Aufnahmen eines neuen Albums stürzen und somit Tom Smiths volle Anwesenheit in Anspruch nehmen. Das gemeinsame Projekt gehört dennoch nicht der Vergangenheit an: “Es wird auf jeden Fall eine zweite Platte geben. Es ist schön, mit einem Freund ein Album aufzunehmen und sich dabei nicht irgendwie unter Druck oder komisch zu fühlen. Wahrscheinlich wird es nicht wieder den weihnachtlichen Grundklang haben, was aber im Endeffekt entsteht, wissen wir selbst noch nicht.”
Elli Eberhardt
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