Man kennt das sonst aus dem Sommer: ein Film, auf den alle schon seit Wochen mit Spannung warten und dessen Erfolg eigentlich so gut wie vorprogrammiert ist, läuft in den Kinos an – und die Konkurrenz hat so viel Schiss, dass sie ihre Filme lieber ein, zwei Wochen nach hinten verschiebt, um ja nicht an der Kasse unterzugehen. Gerade ist dieses Phänomen aber zur Abwechslung auch mal im Herbst zu beobachten – zumindest auf den ersten Blick!
Baader Meinhof Komplex
Vor dem „Baader Meinhof Komplex“ gibt es derzeit jedenfalls kein Entkommen: in Talkshows und Titelstorys wird darüber diskutiert, ob und wie man das Thema RAF heutzutage in einem Spielfilm angehen sollte, derweil alle anderen sich gebannt fragen, ob man einen so großen Film einem Regisseur anvertrauen sollte, der zuletzt Fernseh-Schmonz wie „Die Nebel von Avalon“ und „Die Nibelungen“ inszenierte. Ganz zu schweigen von der Frage, wie viele prominente deutsche Schauspieler ein einzelner Film verträgt.
Wall-E
Doch während sich vermeintlich alle Blicke darauf richten, wie Bleibtreu, Gedeck, Uhl und Co. zu effekthascherischer Musik die Waffen zücken und ansonsten durchaus stimmig die Atmosphäre der Siebziger Jahre in Deutschland heraufbeschwören, stellt sich ihnen an den Kinokassen dann doch noch ein wagemutiger Gegner in den Weg.
Ein kleiner, stummer Roboter namens „Wall-E“ schickt sich nämlich an, der Terroristen-Chronik den ersten Platz der nächsten Kinocharts streitig zu machen. Überraschen dürfte das eigentlich niemanden, auch wenn der leicht angerostete Metallkasten weder bei Johannes B. Kerner auf dem Sessel saß noch vom SPIEGEL-Cover blickte. Immerhin kommt dieser Film aus dem Hause der Zeichentrickzauberer von Pixar, die schon von kochenden Ratten über sprechende Autos bis hin zu chaotischen Insekten jeden noch so ungewöhnlichen Kinohelden zum Star gemacht haben. Und seien wir mal ehrlich: „Der Baader Meinhof Komplex“ ist ein durchaus sehenswerter Film. Aber „Wall-E“, dessen Geschichte nicht bereits aus Sachbüchern und Geschichtsunterricht bekannt ist, kann als echtes echtes Meisterwerk bezeichnet werden – und das nicht nur im Animations-Genre.
Pathology
Alle anderen neuen Filme dieser Woche dürften daneben aber tatsächlich chancenlos sein. Vermutlich können sie froh sein, wenn sich überhaupt Kinos finden lassen, die sie zeigen. Erwähnt werden sollen sie hier trotzdem kurz: „Pathology“ ist ein zweitklassiges amerikanisches Thrillerchen aus dem Krankenhausmilieu, in dem Fernsehnasen wie Milo Ventimiglia („Heroes“) und Alyssa Milano („Charmed“) mal Leinwandluft schnuppern dürfen.
Trennung
Der israelische Regisseur Amos Gitai präsentiert dagegen mit „Trennung“ mal wieder kunstvolles Kopfkino, das durch erstklassige Schauspieler wie Juliette Binoche, Jeanne Moreau und Hiam Abbass besticht.
Eher an anspruchsvolle Geister wendet sich auch „Day Night Day Night“, das minimalistische Porträt einer Selbstmordattentäterin.
Kinder.Wie die Zeit vergeht
Und schließlich sind da noch die beiden Dokumentarfilme „love, peace & beatbox“ und „Kinder. Wie die Zeit vergeht“, die sich mit der kleinen, aber feinen Berliner Beatbox-Szene beziehungsweise den Bewohnern der sächsischen Siedlung Halle-Neustadt beschäftigen. Aber was ist das schon, wenn man stattdessen dabei zuschauen darf, wie in Deutschland blutige Geschichte geschrieben wurde, während sich gleich im Kinosaal nebenan ein großäugiger Roboter verliebt – und sogar noch etwas für die Umwelt tut?!
Text: Patrick Heidmann
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