Die kanadische Rockabilly-Band The Creepshow über ihr Tourleben, Musik, Einflüsse und Sarahs Solo-Karriere.
The Creepshow waren auf “People Like You”-Label-Tour mit der deutschen Punkrockband Broilers, der britischen Psychobilly-Band Demented Are Go, der Berliner Hardcoreband Toxpack und einigen anderen. Motor.de traf Frontfrau Sarah „Sin“ Blackwood und Schlagzeuger Matt Pomade in Leipzig zum Interview. Im Vorfeld verlangte die Band jedoch, dass keine Fragen zu Sarahs Schwester Jen „Hellcat“ Blackwood gestellt werden. Diese war die ursprüngliche Sängerin der Band. Sarah sprang für sie ein, als Jen schwanger wurde. Ob nun Sarah in der Band bleibt oder Jen zurück kommt, ist und bleibt unbekannt.
motor.de: Ihr seid zur Zeit mit vielen anderen Bands auf der “People Like You”-Label-Tour. Ist das etwas anderes als allein unterwegs zu sein?
Sarah: Heute ist, glaube ich, die achte Show der “People Like You”-Tour und es ist fantastisch. Wir haben eine große Crew und viele andere Bands um uns herum. Die vielen Mitarbeiter bauen alles für uns auf, dadurch ist dieser Teil der Tour sehr entspannend. Die vier oder fünf Wochen vorher waren viel anstrengender, weil wir da alles selbst machen mussten.
The Creepshow – Pet Sematary (live)
motor.de: Gibt es über die Tour etwas Interessantes zu erzählen?
Matt: Tatsächlich gab es erst heute früh eine Story über Stan von Demented Are Go.
Sarah: Stan schlief letzte Nacht in der Hotel-Lobby ein. Und weil er noch überall künstliches Blut und Make Up von der Show hatte, rief die Hotelangestellte den Krankenwagen. Sie dachten, er würde aus den Ohren bluten und brachten ihn ins Krankenhaus und untersuchten ihn. Als er aufwachte, sagte er: „Oh nein, bei mir ist alles in Ordnung“. Und Matt wurde irgendwie zum Star der Tour. Normalerweise ist er ja eher der schüchterne Typ, der sehr ruhig ist und nur ein paar Drinks zu sich nimmt und dann zeitig ins Bett geht. Aber jetzt feiert er jede Nacht ausgelassen und ist total lustig. Also verbeugt euch! (Matt nickt). Ansonsten ist es einfach total cool, mit den anderen Bands auf Tour zu sein. Ich liebe das, mit vielen Leuten unterwegs zu sein und dieses familiäre Gefühl zu haben. Und dadurch passieren dann natürlich auch mehr blöde Sachen als sonst.
motor.de: Habt ihr einen Unterschied zwischen den Fans und Kulturen in den verschiedenen Ländern bemerkt?
Sarah: Ja, der Unterschied zwischen Kanada und Europa ist riesig. Ich glaube die Europäer stehen einfach mehr auf Live-Musik. Sie kommen zu den Shows und lassen sich darauf ein. In Amerika ist das viel schwieriger, weil es da so viel Musik und so viele Bands gibt. Der Konkurrenzkampf ist dadurch viel stärker und die Leute sind gelangweilt von Live-Shows. In Europa ist das cooler und vor allem behandeln sie uns hier viel besser. In Nordamerika muss man immer fragen, ob man eventuell noch einen Kasten Bier haben könnte. Aber hier ist es so „Oh das Bier ist alle? Hier habt ihr weitere Hundert!“. Ich weiß nicht, ob das so ist, weil wir Kanadier sind, aber hier bemühen sich immer alle darum, dass es uns gut geht. Sie wollen, dass wir uns gern zurück erinnern und wiederkommen.
Matt: Und das tun wir!
motor.de: Ihr seid ja jetzt schon mehrere Monate ununterbrochen auf Tour. Findet ihr das anstrengend?
Sarah: Es ist manchmal ganz schön anspruchsvoll und ein bisschen stressig. Aber mit der Zeit wird das besser. Je mehr wir touren, desto mehr lernen wir, wie es funktioniert und desto leichter wird es. Man lernt, mit wem man gern zusammenarbeitet und wie man alles organisiert, damit alles glatt läuft. Es wird immer einfacher und nach und nach zu unserem Lifestyle. Manche Tage sind schwieriger als andere. (Matt nickt).
motor.de: Welche Tage sind schwierig?
Sarah: Wenn man in Eile ist oder …
Matt: Arbeitsfreie Tage!
Sarah: Ja stimmt, Ruhetage sind kompliziert, weil sie zum einen teuer und zum anderen extrem langweilig sind.
Matt: Man hat einfach nichts zu tun. Du bist es gewohnt, jeden Tag herumzufahren, auszuladen, Soundcheck zu machen, die Show zu spielen, alles wieder einzupacken. Aber an arbeitsfreien Tagen gibt es das alles nicht, da hat man nichts zu tun. Das ist merkwürdig.
Sarah: Man geht nur ins Internet (lacht) oder man versucht, etwas von der Stadt zu sehen, in der man gerade ist oder man schläft. Manchmal sind wir alle total müde, weil wir ja fast jeden Abend eine Show spielen. Jeder gibt immer sein Bestes und nach der Show wollen die Fans, dass du mit ihnen feierst und manchmal denkst du einfach nur noch „Heute nicht, ich kann nicht mehr!“ (sie lacht). Ja das sind die anstrengenden Tage auf Tour.
motor.de: Seid ihr lieber im Studio oder auf Tour?
Matt: Ich mag beides wirklich sehr gern. Im Studio kannst du halt deine Zeit besser einteilen und planen und du hast mehrere Chancen etwas einzuspielen. Auf Tour gibt es nicht mal eine zweite Chance. Du musst jederzeit dafür sorgen, dass es gut ist. Das ist sehr anspruchsvoll. Beide Sachen haben Vorteile. Aber mir persönlich gefällt das Touren besser. Man ist immer unterwegs, spielt jeden Abend und lernt viele Leute kennen.
Sarah: Ja, bei mir ist es auch auf jeden Fall das Touren, live zu spielen. Einen Song zu schreiben, kann manchmal echt frustrierend sein und es ist ein sehr langer Prozess. Wenn man eine Zeit lang zu Hause war, wird man richtig nervös, weil man es nicht gewohnt ist, längere Zeit an einem Ort zu sein. Man gibt sich selbst drei oder vier Wochen, um Songs zu schreiben oder aufzunehmen, aber schon nach einer Woche sagt man sich „Ich will zurück auf Tour. Lasst uns schnell die Songs schreiben und das Album raus bringen, damit wir bald wieder auf Tour gehen können“. Also ich liebe das Touren sehr, weil es so viel Spaß macht auf der Bühne zu sein.
motor.de: Seid ihr das erste Mal in Leipzig? (beide lachen)
Matt: Nein, auf unserer zweiten Europa-Tour haben wir auf so einem Gothic-Festival gespielt, das war echt lustig.
Sarah: Ja genau, das Wave Gothic Festival 2007. Es war wirklich eine gute Show, deswegen hoffen wir, dass es heute wieder so toll wird. Der Veranstaltungsort ist diesmal ein ganz Anderer. Unser Backstagebereich hier hat die Größe einer Gefängniszelle (sie lachen).
motor.de: Kennt ihr deutsche Bands?
Sarah: Ja klar, wir haben ja schon mit vielen zusammen gespielt. Wenn wir auf Headline-Tour sind, haben wir meist lokale Acts als Vorbands.
Matt: Zum Beispiel Mad Sin und The Heartbreak Engines. Das sind echt coole Jungs und auch großartige Bands.
Sarah: Ja, es gibt so spezielle Bands, die sich von der Masse abheben, so zum Beispiel diese beiden. Wir haben schon mit so vielen Bands gespielt und irgendwann findest du eine, die du wirklich magst und die du dir immer wieder gern anschaust.
motor.de: Sarah, du hast letztes Jahr ein Soloalbum veröffentlicht. Arbeitest du weiter an deiner Solokarriere?
Sarah: Ja klar. Natürlich hat die Band immer Priorität. Aber die Soloplatte wollte ich schon seit sehr sehr langer Zeit machen. Und als wir am zweiten Album für The Creepshow gearbeitet haben, entschied ich mich, mein Soloalbum zur selben Zeit rauszubringen. Das ist eigentlich sehr cool. Wenn Creepshow mal nicht tourt, kann ich hier in Europa mit meinem Soloalbum touren. Es erlaubt mir, Vollzeit-Musik zu machen und das ist total toll.
Sarah Blackwood (live)
motor.de: Dein Soloalbum ist eine Folk-Platte. Inwiefern beeinflusst deine Vorliebe für Folk die Musik von The Creepshow?
Sarah: Auf unserem neuen Album „Run For Your Life“ ist der Einfluss offenbar vorhanden. Wie alle anderen Einflüsse, die wir haben. Aber im Großen und Ganzen trennen wir mein Solozeug von Creepshow.
motor.de: Wer oder was beeinflusst denn noch eure Musik?
Matt: Ich glaube, das ist bei jedem von uns unterschiedlich. Auf jeden Fall Punkrock. Das hören wir alle gern.
Sarah: Unser Keyboard-Spieler hört … (sie überlegt)
Matt: Celine Dion, Elton John (Sarah lacht) …wahrscheinlich.
motor.de: Welche Bands oder Künstler habt ihr gehört, als ihr angefangen habt euch mit Musik zu beschäftigen?
Sarah: (schaut zu Matt) Celine Dion? (lacht)
Matt: Ich glaube die erste Kassette, die ich mir gekauft habe, war Michael Jacksons „Dangerous“. Und wenn du dir unsere Musik anhörst, kannst du wirklich den Einfluss von MJ deutlich hören (lacht).
Sarah: Ich weiß gar nicht. Ich kann mich daran erinnern, wie ich meinen ersten Kassettenspieler gekauft habe. Es war ein Doppelkassetten-Ghettoblaster und ich habe mich total darüber gefreut. Meine erste Kassette war wahrscheinlich der Cocktail-Soundtrack. In dem Film spielte ein Junge mit, den ich damals total süß fand.
Matt: New Kids On The Block.
Sarah: Ja, die haben wir gestern Nacht auch alle zusammen im Bus gesungen (lacht etwas beschämt).
motor.de: Euer eigener Musikstil wird als Hellbilly bezeichnet. Was ist das?
Sarah: Darüber haben wir erst neulich geredet. Wir wissen es eigentlich selbst nicht. Wir können kein spezifisches Genre für unsere Musik nennen. Es gibt verschiedene Meinungen von anderen darüber, welche Musik wir machen: Psychobilly, Horrorbilly, Hellbilly, Punkabilly. Aber ich würde ganz einfach sagen, wir machen Rock’n’Roll oder Punkrock.
Matt: Wir sind nicht eine der Bands, die immer sagen „Wir klingen wie niemand anderes“. Es ist einfach so, dass wir wirklich nicht wissen, was für ein Genre wir da eigentlich machen. Wahrscheinlich ist es einfach ein Mix, ein Bündel aus verschiedenen Genres.
motor.de: Wenn ihr sagt, ihr macht Rock’n’Roll, lebt ihr auch den typischen Rock’n’Roll-Stil à la “Sex, Drugs & Rock’n’Roll”?
Matt: Sie auf jeden Fall! (lacht und schüttelt den Kopf)
Sarah: Genau, das ist alles, was ich mag. (lacht) Niemand von uns nimmt Drogen, wir trinken bloß. Aber auch nicht so, dass wir außer Kontrolle geraten. Es ist einfach so, dass es viel zu anstrengend wäre, das jeden Abend zu machen. Uns geht es eher darum, Musik zu machen und das weiterhin tun zu können, als jeden Abend sturzbetrunken zu sein.
motor.de: Also kein Rock’n’Roll-Lifestyle! Was ist dann das Besondere am Leben mit der Band?
Sarah: Ich weiß ja nicht, wie die Leute uns sehen, aber wir sind eigentlich ganz schöne Langweiler. Wir haben zum Beispiel nie Streit. Auch nicht nach den Shows, weil jemand auf der Bühne etwas falsch gemacht hat. Wenn du mal eine schlechte Show gespielt hast, würde das niemand ansprechen. Es ist einfach egal, man lässt es vorbeiziehen. Dadurch ist jede Show, egal wie wir spielen, nicht misslungen und es entsteht kein Druck, perfekt sein zu müssen. Das liebe ich sehr an unserer Band. Wir verstehen uns wirklich super und vor allem im Bus werden wir manchmal richtig affig und albern…
Matt: …und hören so richtig cooles Zeug!
Sarah: Ja, manchmal haben wir wirklich ganz eigenartige Musik im Bus.
motor.de: …zum Beispiel?
Sarah: Beyoncé (lacht)
Matt: Daran ist nur sie Schuld!
Sarah: Ich mag sie wirklich, sie kann einen echt umhauen. Wir sind halt nicht eine der Bands, die sagen: „Wir hören nur Punkrock und nichts anderes“. Wir sind da wirklich entspannt und mögen viele verschiedene Sachen und in der Zwischenzeit spielen wir in unserer eigenen Band in unserem eigenen Stil.
motor.de: Was macht ihr nach der Tour?
Matt: Nach dieser Tour hier, sind wir, glaube ich, drei Tage zu Hause. Dann müssen wir von Long Beach nach Kalifornien fahren, was einige Tage dauern wird. Da touren wir dann zwei Wochen durch die Vereinigten Staaten und dann geht es für uns zurück nach Toronto, wo wir dann eine Zeit lang frei haben.
Sarah: In Amerika haben wir noch bis Ende Juni an den Wochenende Auftritte. Im August kommen wir dann zurück, um in Europa einige Festival-Gigs zu spielen. Im Oktober startet dann die Halloween-Tour durch Kanada und die Staaten. Die ist sehr wichtig für uns. Und dann gibt es ein bisschen Freizeit.
motor.de: Was sind eure Wünsche für die Zukunft von The Creepshow?
Matt: Ich glaube, das ist wie bei allen anderen Bands. Wir hoffen, dass wir uns weiterentwickeln und wachsen. Vielleicht passiert etwas ganz großes, aber im Vordergrund steht, dass wir weitermachen können so lange es möglich ist.
Sarah: Zur Zeit versuchen wir einfach alles in uns aufzusagen, weil man ja nie weiß, wie lange so etwas andauert. Wir wollen einfach weitermachen mit dem, was wir tun, und so viele Konzerte wie möglich spielen, damit die Leute wissen, dass es uns noch gibt. Wir wollen weiter touren, weiter Platten aufnehmen und das Interesse bei den Leuten wecken, damit wir so viele Fans wie möglich gewinnen.
The Creepshow on motor.de
Interview: Katrin Bähnisch
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