Für die Maccabees ist es an der Zeit, dem Fortschritt Platz zu machen, auch wenn dabei vergangene Songs zu kurz kommen. Hugo White erzählt im Interview, warum sie sich das nicht nehmen lassen.
The Maccabees sind an ihrem vor kurzem veröffentlichten Album “Given To The Wild” gewachsen. Doch nicht nur musikalisch hat die Band an Reife gewonnen, auch in ihren Texten spiegelt sich das Verarbeiten von Entwicklungsprozessen wider. “Given To The Wild” war das erste Album, bei dem die Band aus London sämtliche Installationen und Prozesse vollständig selbst in die Hand genommen und die Songs nach den Aufnahmen nicht sofort vertrauensvoll in die Hände eines Produzenten gegeben hat. motor.de hat Maccabees-Gitarrist Hugo White getroffen und mit ihm über die Entstehung des Albums und die Entwicklung als Band gesprochen.
motor.de: Wie geht es euch denn derzeit? Ihr habt ein Erfolg versprechendes Album auf den Markt gebracht und spielt ausverkaufte Konzerte.
Hugo: Uns geht es ziemlich gut. Wir freuen uns außerordentlich über den Erfolg von “Given To The Wild”, das zuerst auf Platz 1 in Großbritannien einstieg, dann auf Platz 4. Wir wussten nicht, was aus dem Album wird und wie die Menschen darauf reagieren würden. So gut wie niemand außer uns und unserer Plattenfirma haben die Songs vor der Veröffentlichung gehört. Unsere Plattenfirma hat uns ein wenig geschockt, als sie meinte, das Material sei nicht gut und würde maximal für eine kurze EP reichen. Wir wollten aber unbedingt diese Songs machen und haben wegen der Aussage des Labels auch damit gerechnet, dass es nicht so gut laufen könnte. Am Ende war es doch ganz anders und das freut uns natürlich. Es ist schön, dass wir eine solche Resonanz bekommen und die Leute das in unseren Songs sehen, was wir sehen und ihnen auch vermitteln möchten. Ich meine das wichtigste und schönste an einem Album ist doch, zu wissen, dass es andere Menschen erfreut.
motor.de: Bei euren Stationen entwerft ihr auch immer ein Artwork.
Hugo: Orlando [Orlando Weeks, Sänger, Anm. d. Red.] macht das. In jeder Stadt verarbeitet er seine Eindrücke durch diesen kleinen Druck, er macht davon jeweils nur eins. Es ist zu vergleichen mit einer Art Tagebuch, eben um etwas Sinnvolles in der vielen ungenutzten Zeit unterwegs zu tun. Wahrscheinlich hat Orlando am Ende des Jahres eine große Sammlung davon.
motor.de: Wollt ihr die Sammlung denn veröffentlichen?
Hugo: Ich weiß noch nicht, aber vielleicht werden wir ein kleines Buch daraus machen.
motor.de: Vor etwas mehr als zwei Jahren haben wir uns schon mal unterhalten. Damals hat dein Bruder und Bandkollege Felix gesagt, dass ihr Musik machen möchtet, die Schönheit in sich trägt. Dieses Album beschreibt ihr nun als eines, auf dem ihr endlich klingt, wie ihr es immer wolltet.
Hugo: Demzufolge ist “Given To The Wild” für uns ein Album, das Schönheit in sich trägt. Definitiv. Ich denke, das ist daher gekommen, dass wir die Kontrolle über wirklich alles übernommen haben. Dadurch konnten wir so klingen, wie wir es wollten und hatten keine fremden Hände im Spiel. In der Vergangenheit hatten wir immer eine genaue Vorstellung davon, wie unsere Songs klingen sollen. Wir haben dann eben geschrieben und der Produzent hat im Endeffekt entschieden, wie der Track klingt, der dabei heraus kommt.
motor.de: Dieses Mal habt ihr mit Tim Goldsworthy zusammen gearbeitet. Wirklichen Einfluss hatte er laut deiner Aussage aber wahrscheinlich nicht?
Hugo: Wir wollten mit jemandem zusammen arbeiten, der in einem anderen Genre beheimatet ist als unserem. Er kennt sich ziemlich gut mit Technik aus und hat uns mit etlichen musikalischen Spielzeugen, Klängen und auch Synthesizern vertraut gemacht und uns dadurch in dieser Richtung ein wenig unterstützt. Mit diesem ganzen Wissen haben wir versucht, ein Album aufzunehmen, aber es hat nicht wirklich funktioniert. Ein paar Ideen haben sich ergeben, also haben wir die aufgenommen und es zum Mixen geschickt. Als wir es zurückbekommen haben, waren wir total unzufrieden, denn es klang einfach nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Eigentlich wollten wir das Album schon letzten Sommer veröffentlichen, dachten dann aber, dass die Platte einfach nicht gut genug ist. Danach haben wir uns etwa zwei Monate hingesetzt und alles selbst in die Hand genommen. Und nun klingt es so, wie es das auch sollte. Wir sind sehr stolz auf das Album.
motor.de: Die Arbeit hat sich jedenfalls gelohnt.
Hugo: Daraus lernt man, dass man gar nicht so viel auf die Meinung anderer geben sollte. Also nicht darauf vertrauen, wie andere Menschen deine Musik sehen wollen, denn am Ende ist man unzufrieden. Wir wollten das einfach wirklich nicht so haben. Es war ein anstrengender Weg, aber das war es wert.
motor.de: Meinst du, dass aus Sicht einer Band ein Produzent also nicht so viel Einfluss haben sollte?
Hugo: Das kommt ganz darauf an. Für uns auf jeden Fall nicht, so viel steht fest. Das haben wir aber erst jetzt raus gefunden, zuvor waren wir der Meinung, dass die Produzenten wahrscheinlich mehr Ahnung von diesen Dingen haben und ihnen diese Arbeit überlassen. Dieses Mal haben wir uns das erste Mal so gefühlt, als wären wir die bessere Besetzung für diesen Job. Vielleicht wussten wir auf den ersten beiden Platten nicht so recht, was wir tun. Schließlich ist das auch ein Lernprozess.
motor.de: Ihr habt auch andere Seiten an euch neu entdeckt. Zum Beispiel, dass Orlando nun in unerwartet hohen Lagen singt.
Hugo: Wir alle wollten Fortschritte machen, uns an verschiedenen Sachen ausprobieren. Orlando ging das ähnlich, er wollte mit seinem Gesang auch in unsere “neue Welt” passen, sich entwickeln. Er mag es auch nicht, sich auf den alten Alben singen zu hören und ich glaube, auch das zeugt von einer Art Fortschritt, dass man sich eben nicht mehr zu sehr mit alten Sachen identifizieren kann.
motor.de: Das ist interessant, denn beispielsweise den Song “Latchmere” scheint Orlando nicht mehr besonders zu mögen. Er ist auch aus dem Set gestrichen worden.
Hugo: Ja, das ist allerdings wahr. Da gibt es etliche Songs… Das geht uns vermutlich allen so, besonders mit Songs von unserem Debüt, die unsere Fans lieben. Wir wollen damit nicht arrogant rüberkommen, dass wir etliche Songs gestrichen haben und sagen, dass wir sie nicht mehr spielen möchten. Die Sache ist nur die, dass wir eben vorangehen und wir auch gute neue Lieder im Set haben, denen ebenfalls Aufmerksamkeit zusteht. Dennoch sind noch etliche frühe Songs von uns dabei.
The Maccabees – “Pelican”
motor.de: Warum habt ihr “Pelican” zu ersten Single gewählt? Dieser Song klingt ganz offensichtlich eher nach euren Wurzeln und nicht nach dem Rest des Albums.
Hugo: Wir haben dabei auch gar nicht gedacht, dass er unser Album repräsentiert. Es ist aber merklich der Track, der das höchste Ohrwurm-Potential auf der Platte hat. Wir haben eine Weile überhaupt nichts von uns hören lassen und mussten zunächst wieder die Aufmerksamkeit unserer Fans zurück gewinnen. Wir wollten nicht direkt mit dem neuen Material schocken. Auf diesem Weg ist es einfacher, denn man bekommt zuerst die Aufmerksamkeit der Leute, dann nehmen sie sich die Zeit, sich mit dem Album zu beschäftigen. Hätten wir einen anderen, abstrakteren Track gewählt, hätte man uns vielleicht direkt abgelehnt, einfach weil es anders klingt. Es war eine etwas schwierige Situation.
motor.de: Welchen Song hältst du denn lyrisch für am besten?
Hugo: Orlando schreibt für gewöhnlich unsere Texte. Ich habe “Grew Up At Midnight” geschrieben, das ist also der einzige Song von mir selbst, auf den ich stolz sein könnte.
The Maccabees – “Grew Up At Midnight”
motor.de: Und wie sieht es mit den instrumentalen Teilen aus, mit Gitarrenparts beispielsweise?
Hugo: Oh je. Das sind so viele (lange Pause). Es tut mir leid, mir fällt wirklich kein Part ein, der mir am besten gefällt, ich bin glücklich mit allem. Auf dieser Platte speziell finde ich es am schönsten, den Part bei “Went Away” live zu spielen. Da saß ich Stunden auf dem Sofa und habe an diesem Teil gefeilt. Es macht einfach Spaß.
motor.de: Du hast vorhin erwähnt, dass ihr aus diesen kleinen Kunstwerken von Orlando vielleicht ein Buch machen wollt. Gibt es denn sonst noch andere Projekte, denen ihr nach der großen Tour mit den Maccabees nachgehen wollt?
Hugo: An diesem Album hat jeder für sich allein geschrieben, ist jeder seinen Dingen nach gegangen und dabei sind auch viele Sachen enstanden, die nicht mit auf die Platte gekommen sind. Das heißt da ist noch ein Überschuss an unverwendetem Material. Ich bin mir also sicher, dass nach dem Ende der Tour noch viel passieren wird für die einzelnen Bandmitglieder. Für uns als Band würden wir sehr gern etwas für einen Film schreiben. Wir suchen derzeit nach irgendwem, der mit uns zusammen arbeiten möchte. Noch ist es nicht soweit und wir haben uns an so etwas auch noch nicht probiert, aber wir geben jedenfalls unser Bestes. Vielleicht für einen Film wie “O Lucky Man!”.
Interview und Fotos: Elli Eberhardt
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