Die Vorgeschichte dürfte leidlich bekannt sein: Vom Tod seines Tripping Daisy-Bandkollegen Wes Berggren im Jahre 1999 tief getroffen, zog sich der texanische Musiker Tim DeLaughter zunächst aus dem aktiven Musikbusiness zurück, nur um dann bereits im Jahr darauf mit den ersten Ideen zu einer neuen, “anderen” Band um die Ecke zu kommen. Diese ersten Ideen wuchsen sich bald zu einem vielköpfigen “Monster” aus, nämlich der Polyphonic Spree. Das bedeutet: um die 20 MusikerInnen und SängerInnen, allesamt gewandet in von DeLaughter und seiner Schwiegermama höchstselbst entworfenen, weiten und bunten Gewändern. Anlässlich des neuen Albums “The Fragile Army” sprachen wir mit der Tochter besagter Schwiegermama – DeLaughters Frau und PS-Kernmitglied Julie Doyle über das “Leben mit vielen”…
Wie schafft ihr es eigentlich, so viele Leute “on the road” zu bekommen – und dann noch zu versorgen? Die meisten Bands bestehen aus vier, fünf Leuten und beschweren sich, sie würden unterwegs nur Miese machen…
Es ist schwierig, aber es gibt nicht umsonst dieses Klischee, von wegen “Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.” Irgendwie kommen wir immer von A nach B, und jetzt sind sieben Jahre seit unseren Anfängen vergangen, und wir sind immer noch dabei – es scheint, als wäre irgendwo da draußen im Universum etwas, das dieser Band helfen will, vorwärts zu kommen… Aber es bedarf auch vieler Kompromisse, denn wir haben kaum finanzielle Rücklagen. Es ist jedes Mal ein kleiner Triumph, wenn diese Band es schafft, aufzutreten.
Wie’s scheint, sind aber schon seit der Fertigstellung des neuen Albums wieder Leute abgesprungen, es gab Veränderungen im Line-Up, oder?
Oh, ja… Die Polyphonic Spree verändert und entwickelt sich stets und ständig. Seien es die Mitglieder, die Instrumentierung, die Herangehensweise an die Musik, die Arbeiten im Studio und nicht zuletzt die Live-Präsentation. Im Kern der Band gibt es 12, 13 Leute, die von Anfang an dabei sind, darum herum gibt es viele Wechsel, Menschen kommen und gehen und fügen der Spree neue Dinge hinzu, die es auch für uns interessant halten. So vermeiden wir, uns festzufahren.
Habt ihr eigentlich schon mal ein Mitglied der Band unterwegs “verloren”, also, an der Tankstelle vergessen oder so?
Das ist schon ein paar Mal vorgekommen – ich weiß nicht mehr, wen es getroffen hat – aber deswegen haben wir eine Regel eingeführt: Wer unterwegs verloren geht, muss 100 Dollar in die Bandkasse zahlen! (lacht) Um bei uns dabei sein zu können, muss man wirklich selbständig sein, und außerdem offen für den Geist, die Stimmung der Gruppe. Denn obwohl wir quasi fünf Bands in einer einzigen Band sind, bedeutet das nicht, dass wir fünf mal so viele Roadies haben, wie andere Bands – im Gegenteil: Wir haben eine winzige Crew, und jeder aus der Band muss mit anpacken!
Ihr seid ja – nicht zuletzt wegen der hymnenhaften Musik und der hippiesken Kleidung – als eher “sanfte”, friedliche Band bekannt. Wie kommt es, dass ihr auf dem Cover des neuen Album, das noch zudem den quasi-militärischen Titel “The Fragile Army” trägt, als ebensolche – also in militärischen Uniformen – abgebildet seid?
Ursprünglich waren die Gewänder ein Versuch, die Gruppe einheitlich zu kleiden, damit das Publikum nicht durch unsere unterschiedlichen Strassenklamotten und die vielen Leute auf der Bühne von der Musik abgelenkt wird. Ironischerweise wurden dann aber gerade die Gewänder die größte Ablenkung überhaupt. Damit hatten wir viel Spaß. Und auch heute geht es hauptsächlich darum, die Band einheitlich zu präsentieren, weniger um den konkreten Stil, in dem das geschieht. Als wir die Uniformen bekamen, waren sie zunächst alle gleich. Wir schmückten sie dann mit unseren eigenen Symbolen – was nichts mehr mit Militär per se zu tun hat. Es war einfach Zeit, etwas neues auszuprobieren.
Text: Ralph Schlegel
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