Nach „Aus Alt mach Neu“ und „Alt macht Neu“ folgt nun Teil drei der motor.de Retrospektive 2008. Und auch hier wird das Phänomen der Renaissance vergangener Klänge, diesmal von Motown bis NDW, aufgegriffen.
Alles nur geklaut…
…was die einen mit einem Prinzen-Hit der Nachwendezeit assoziieren, ist für andere ein fester Bestandteil der Musikgeschichte: Die Neuverpackung von längst Dagewesenem. So unter anderem 2008 im Bereich Funk und Soul geschehen.
Amy Winehouse legte Ende 2006 mit Rehab zwar bereits den Grundstein und ebnete 2007 den Weg mit weiteren Hits, doch erst 2008 folgte die große Lawine. Duffy erschien auf der Bildfläche und flehte um Gnade. Das Fazit: ihr „Mercy“ schlug ein wie eine Bombe. Und sie war nicht die Einzige die erfolgreich flehte.
Auch die norwegischen Madcon schafften es mit der Coverversion des Frankie Valli-Klassikers „Beggin“ in die Charts und brachten Motownsounds mit aktuellen Beats unterfüttert zurück auf die Tanzfläche. Dabei waren sie als Herren eher die Ausnahme dieses von Damen dominierten Revivals.
Nach Duffy kam beispielsweise noch die 19jährige Adele aus Großbritannien, die mit ihrer Soulstimme überzeugte. Doch als ob ein Alters-Wettbewerb ausgeschrieben worden wäre, unterbot sie Gabriella Cilme mit gerade mal 17 Jahren. Ihr „Sweet About Me“ schaffte den Sprung aus der Werbung in die Top Ten, genau wie auch ihr Album „Lessons To Be Learned“.
The Asteroid Galaxy Tour könnten nun den Trend ins neue Jahr mitnehmen. Genau wie Gabriella verschaffte sich ihr Titel „Around The Bend“ 2008 durch einen Werbeclip international Gehör. Ein Debütalbum wird seither sehnsüchtigst erwartet. Erste Vergleiche zwischen Sängerin Mette und Duffy wurden ebenfalls bereits gezogen. Daher könnte es auch 2009 heißen: „And the beat goes on…“
Sounds der 60er waren 2008 nicht der einzige musikalische Rückgriff, der sich großer Beliebtheit erfreute. Auch die 80er waren präsent wie nie. Kaum ein Monat verging, wo nicht mindestens ein Album in der motor.de-Redaktion landete, das mit NDW-, Elektro- oder Synthie-Pop-Anleihen aufwartete. Schwefelgelb, Egotronic, Spillsbury oder Rhytm Police sind dabei nur einige nationale Beispiele.
The Ting Tings schafften das Ganze international und vor allem kommerziell erfolgreich. Besonders überraschte auch der Einzug der 80ies in den Hip Hop. Snoop Dogg brachte mit seinem „Sexual Erruption“ die Stimm-Vocoder-Welle ins Rollen, was seine Krönung in Kanye Wests „Autotune-Album“ „808s and Heartbreak“ fand und selbst der Conscious-Rapper Common begab sich auf ungewohnt elektronisches Terrain.
Mike Skinner alias The Streets ging die Sache mit dem „Alles nur geklaut“ hingegen etwas anders an. Nach der Devise „Flucht nach vorn“ nannte er sein Album gleich „Everything Borrowed“ und, als wolle er dem Elektro-Hype den Finger zeigen, integrierte er ungewohnt organische, handgemachte Klänge.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass im Musikjahr 2008 gern und ausgiebig in vergangenen Jahrzehnten gewildert wurde. Einer, der sich dem gekonnt entzog, war Seeed-Frontmann Peter Fox. Nur ein kleines Filmorchester musste er sich aus Babelsberg ausleihen. Die restlichen Dancehallbeats und vor allem witzigen wie geistreichen Texte kamen aus der eigenen Schmiede, was insgesamt in dem erfrischenden und vor allem innovativen Debütalbum „Stadtaffe“ mündete.
Bleibt zu hoffen, dass es ihm 2009 viele gleich tun werden und frischen Wind in die Musiklandschaft bringen. Ansonsten gilt es abzuwarten, ob nicht ein weiteres Revival ansteht. Vielleicht gräbt jemand den Rock’n’Roll wieder aus oder eine Wiederbelebung der 70ies Disco macht sich breit. Wir werden es sehen und vor allem darüber schreiben.
In diesem Sinne auf ein gesundes, musikalisches 2009!
Kai-Uwe Weser