Es muss nicht immer Klavier sein. Oder, um genauer zu sein, Jazz-Klavier. Aus dieser eigentlichen Königsdisziplin des freien musikalischen Ausdrucks schöpften die vier Mitglieder von Velojet nämlich ihren anhaltenden Enthusiasmus für die Töne, quollen die Plattensammlungen ihrer steyrischen Elternhäuser ja auch vor lebendig pulsierenden Vibes dieser Art über. Im Stile eines Jazz-Musikers scherte René Mühlberger auch eines Tages aus dem Trott tradierter, sich an Vertrautheit klammernder Lebensplanung aus, als er seinen Entschluss in die Tat umsetzte, sein Leben ohne Abstriche der Musik widmen zu wollen. Er verfeinerte seine Technik an der klassischen Gitarre, schrieb sich am Gustav Mahler-Konservatorium in Wien ein, schloss dort sein Studium der Jazz-Gitarre erfolgreich ab, und legte so den Grundstein “für all das, wovor mein Vater mich eigentlich gewarnt hat”.

Im selben Maß, in dem Renés Laufbahn von diesem Moment an vom Zuspruch seines Vaters abrückte, wich sie auch von der Dynamik des Jazz ab, und begann stattdessen, die Züge popmusikalischer Strukturen anzunehmen: Alles fiel wie von selbst an den ihm zugewiesenen Platz, so, als ob es mit Verlässlichkeit vorauszusagen gewesen wäre. Und das bis zu dem Punkt, an dem es fast schon so erscheint, als ob manche Akteure in Velojets bislang perfekter Pop-Karriere wie willenlose (aber in Wahrheit selbstlose) Werkzeuge im Dienste der musikalischen Schicksalserfüllung der Band entsandt worden wären. So wie Renés Kumpel Sepp, der mir nichts, dir nichts eigenhändig ein ganzes Tonstudio aufgebaut hat, “weil ihr mit Velojet ja jetzt doch eh eine Platte aufnehmen wollt”. Oder die Killers, die sich für ihr Wien-Konzert am 25. Februar 2005 großzügigerweise die Influenza zuzogen, um so einen Kontrast dazu herzustellen, was ihre damalige Vorband Velojet am besten kann: Brillieren. Sobald der letzte Ton verklungen war, zerstreute sich eine rappelvolle Arena in alle vier Windrichtungen, um Kunde davon nach Hause zu bringen, von dem sich ab sechsten Juni nun ohnehin jeder überströmen lassen kann: Velojet kehren Lebensfreude heraus, wo vorher nur Luft zu sein schien. Schon die Wahl des Bandnamens signalisiert einen entschiedenen Schritt, Begrifflichkeit und vor allem Wirkung des Aufputschmittels an sich der abgründig-verzerrten Parallelwelt von “Clockwork Orange” zu entreißen, und von sich aus positiv neu zu besetzen (und zu schreiben).

Filigrane Gitarrenpop-Vehikel ihres selbstbetitelten Debütalbums wie “Your Side”, “Yesterdays” und “Starting Over” hätten es auch in einem Detroiter-Kellerstudio 1962, an einem kalifornischen Strand 1966 oder an den Docks von Liverpool 1967-2005 bis vor den glitzernden Vorhang geschafft, formulieren die Essenz dieser mühelosen menschlichen (Be-)Rührung aber mit dem einzigartigen, neuzeitlichen (Steyrer) Akzent eines Songwriters, der solche Pop-Symphonien mit einer ebensolchen Leichtigkeit wie Notwendigkeit komponiert – “Ich muss Songs schreiben, um mich wohl zu fühlen”. Als umfassendes Sentiment vermitteln die Songs auf der LP die Suche nach menschlichem Zusammenhalt, innerhalb des Bandgefüges, aber auch im g rößeren gesellschaftlichen Rahmen. Und prompt schleicht sich auch schon der Vater wieder ein, durch die Hintertür auf Lied Nummer acht, “Good To Know”, auf dem er dem von seinem Sohn im Kopf ausarrangierten Bläsereinsatz (!) die Gunst seines Brustumfangs beisteuert. Mit “Part Of The Plan” ist dann noch ein weiterer dezenter Schlenker in Richtung Jazz, Funk, Inspirationsquellen und einem von widersinniger Unkategorisierbarkeit bestimmten persönlichen Innenleben auf diesem Gusswerk von einem Album.

“Der Weiterbestand der Band ist einziges Zweck und Ziel. Darauf, in noch ausgefeilterer Art und Weise gemeinsam Musik zu machen, freue ich mich mehr als darauf, was dabei letztendlich herauskommen mag.”, bilanziert René, “denn dafür, dass ich mich jetzt selbst unter einen öffentlichen Rechtfertigungsdruck bringe, war das Entstehen dieser Platte einfach zu spaßig.” Und anscheinend eben auch notwendig.

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