Da sage doch noch mal einer, im Musical stünden den Protagonisten nur Tanz und Gesang zur Verfügung um sich auszudrücken. “Sweeney Todd“, in den Siebzigern am Broadway uraufgeführt, ist jedenfalls alles andere als eine heitere Nummernrevue – und war vermutlich genau deswegen für Tim Burton, den Meister des Gothic-Grusels, interessant. Statt wilde Choreografien aufzuführen, treibt Johnny Depp in der Titelrolle lieber sein Unwesen als mörderischer Barbier.

Vor allem geht es ihm darum, den Mann vor die Rasierklinge zu kriegen, der ihm einst Frau und Kind raubte, doch zur Not nimmt er auch mit Sacha Baron Cohen vorlieb. Der „Borat“-Star ist hier als schmieriger Frisör zu sehen und landet am Ende, wie alle anderen auch, in den Fleischtörtchen der kannibalistischen Bäckerin Mrs. Lovett (Helena Bonham-Carter). Gesungen wird natürlich trotzdem ohne Ende, denn wie gesagt: trotz des in Strömen fließenden Blutes ist “Sweeney Todd” ein waschechtes Musical.

Lieber zur Pistole als zum scharfen Bartstutzer greifen die Herren in “Helden der Nacht“. Joaquin Phoenix ist das schwarze Schaf einer Polizistenfamilie und kümmert sich im New York der Achtziger Jahre bevorzugt um seine Nachtclubs, Drogen und die Russenmafia. Irgendwann schlägt er sich dann doch zu Papa (Robert Duvall) und Bruder (Mark Wahlberg) auf die Seite der Guten, was vielleicht auch an der unauthentischen Musikauswahl in seiner Disco liegt. Es dauert jedenfalls nicht lange, bis die Bleikugeln in Serie über die Leinwand fliegen, doch eine gewisse Langeweile lässt sich mit Pistolen nicht vertreiben.

Aus ganz anderen Ursachen rafft es die Leute in “Die Liebe in Zeiten der Cholera” dahin, dessen Titel schon auf eine Zeit verweist, die noch eine ganze Ecke düsterer und dramatischer war als die 80er. Basierend auf dem Romanerfolg von Gabriel Garcia Marquez wird aber trotzdem eher in Kitsch und edlen Bildern geschwelgt als im Elend der Seuche. Eine Liebes-, keine Krankheitsgeschichte also, dazu singt Shakira und irgendwie gelingt es nicht einmal Javier Bardem, die ganze Sache wirklich sehenswert zu machen.
Kommende Woche ist das in “No Country For Old Men” dann völlig anders, aber da hat der Spanier auch endlich die passende Waffe zur Hand.

Ganz klassisch der Fußball kommt dagegen zum Einsatz, wenn sich die wilden Kerle mit ihren Gegnern anlegen. Wobei klassisch vermutlich das falsche Wort ist, denn wer die ersten vier ebenso hölzernen wie pseudo-modernen Abenteuer der Freestyle Soccer-Spieler gesehen hat (und den Zuschauerzahlen nach waren das erschreckend viele!), weiß, dass die Ochsenknecht-Söhne und ihre ähnlich verkrampften Kollegen den Fans gerne was Ausgefallenes bieten. In “DWK 5 – Die wilden Kerle: Hinter dem Horizont” geht es deswegen sogar gegen eine Vampir-Mannschaft aufs Feld, die sicherlich mindestens so blutrünstig ist wie Sweeney Todd.
Aber mit der passenden Waffe – vermutlich einem Holzpflock oder etwas Knoblauch? – zerfallen die Gegner im Idealfall sicherlich zu Staub.

Auch dieser feine Dreck ist ein Thema, das sich für die Leinwand eignet, wie in dieser Woche der erstaunlich unterhaltsame Dokumentarfilm “Staub” beweist. Da geht’s von Feinstaub über Bauschutt bis zum Abfall einer Goldschmiede, nur die beseitigten Blutsauger kommen ein wenig kurz. Und gesungen wird erstaunlicherweise auch nicht!

Text: Patrick Heidmann