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Categories: Interview

Untiefen der Popkultur

Für die Chef-Popkultur-Eklektiker von We Are Scientists bricht mit ihrem neuen Album ‘Barbara’ eine neue Zeitrechnung an.

Mit Ex-Razorlight-Drummer Andy Burrows hat man einen kongenialen Partner auf den Schlagzeugsitz gehievt, gründet kurzerhand ein eigenes Label namens “Master Swan” und verhandelt über ein Nachfolgeformat der bandeigenen TV-Mini-Serie “Steve Wants His Money”. So humorvoll sich die beiden Ober-Wissenschaftler Keith Murray und Chris Cain im Interview und in ihren diversen medialen Inkarnationen auch geben – für We Are Scientists bricht der Ernst des Lebens an. Dementsprechend stilecht machen sich Murray und Cain – in die dicken Ledersessel der Gentleman’s Club-Bibliothek eines Hamburger Hotels geknautscht – im Interview Gedanken über Selbständigkeit und die Gesetze der Popkultur – nur um am Ende doch wieder Witze über B-Movies zu reißen.



motor.de: Wie hat sich Andy Burrows in die Band eingefunden?

Keith: Ganz klar: Unsere Zusammenarbeit mit Andy ist der bisherige Höhepunkt unserer Karriere als Männer, die mit Schlagzeugern arbeiten.

motor.de: Und habt ihr schon Erwartungen, wie lange euch diesmal der Drummer erhalten bleibt?

Chris: Normalerweise verschleißen wir sie in einem Jahr.
Keith: Das stimmt. Aber wir arbeiten mit Andy schon am Nachfolgealbum. Allerdings werkelt er zeitgleich an seinem Soloalbum. Das ist schade für uns.
Chris: Das ist schade für die Welt.

motor.de: Gab es während der gemeinsamen Arbeit einen besonderen integrativen Moment für Andy? Musstet ihr ihm eure Bandphilosophie nahe bringen?

Keith: Ich habe im letzten Sommer in Georgia gewohnt. Chris und Andy haben mich dann dort besucht, wir haben geprobt und an unserem Alkoholspiegel gearbeitet.
Chris: Das war sicher auch der Punkt, an dem Andy unsere Bandphilosophie klar wurde. Er hat vorher einfach niemals in einem Fluss gestanden und Bier getrunken.
Keith: Ja, ein großer Teil des Songwritings hat daraus bestanden in einem Fluss zu stehen und Bier zu trinken. Aber bis zu dem Punkt, an dem er sein erstes Egg And Cheese-Sandwich verspeist hat, konnte er einfach nicht verstehen, worum es bei We Are Scientists geht. Das Egg And Cheese-Sandwich ist unglaublich wichtig für das Verständnis von We Are Scientists.

We Are Scientists – “Rules Don’t Stop”



motor.de: Gab es denn einen Plan für die Arbeit an ‘Barbara’, der über Bier und Eier hinausging?

Keith: Wir wollten einfache, fröhliche Pop-Songs schreiben. Alle sollten Uptempo sein und unter drei Minuten. Das haben wir auch fast geschafft. Das Vorbild war sicher Weezers ‘Green Album’. Mehr Plan gab es nicht.

motor.de: Wann habt ihr euch entschieden, ein eigenes Label zu gründen?

Chris: Als wir die EMI verlassen haben. Unser Vertrag wurde neu verhandelt und mit einigen anderen Labels waren wir ebenfalls im Gespräch. Aber wenn man sich den Zustand der Industrie ansieht, ist klar was das für Angebote waren. Die meisten großen Labels wollten sogenannte 360-Deals mit uns abschließen – das ist nichts böses, sondern die Norm. Aber wir fanden einfach nicht, dass solche Verträge zu uns passen würden. Die Gespräche mit kleineren Labels haben uns dann sehr schnell klar gemacht, dass wir das Album lieber selbst herausbringen wollen.

motor.de: Ist es für euch jetzt eine Erleichterung mehr Kontrolle zu haben?

Keith: Nein, es ist eher eine Bürde. Das finanzielle Risiko tragen wir jetzt ja selbst.
Chris: Aber es ist uns sowieso immer schwer gefallen, uns aus der Business-Seite der Band herauszuhalten. Wir sind schreckliche Lästerer und Nörgler, wenn es um die Fehler anderer Leute in unserem Arbeitsumfeld geht. Insofern ist es also gut, wenn wir uns selbst um alles kümmern, weil wir uns dann nur die eigenen Fehler vorhalten können.
Keith: Den Kauf unseres Albums sollte man also auch als Investition in die Zukunft guter Musik sehen. Wenn uns ‘Barbara’ nicht in den Ruin treibt, wollen wir auch andere Alben veröffentlichen. Am besten solche, die uns stinkend reich machen.

motor.de: Dann solltet ihr euch die Rechte an der neuen Miley Cyrus sichern.

Chris: Wenn es das ist, was die Leute wollen… Man sollte immer auch über die Untiefen von Popkultur Bescheid wissen. Die Edelsteine und der Müll von Popkultur sind oft so stark miteinander verknüpft, dass es geradezu notwendig ist, sich durch die vielen Müllhalden durchzuwühlen.
Keith: Kaum etwas macht mich wütender, als hochnäsige Hörer, die die unglaublichen Qualitäten eines Songs wie “Party in the USA” von Miley Cyrus nicht anerkennen, der einerseits natürlich vollkommen unsubtil auf das Wohlfühl-Zentrum deines Gehirns zielt, aber andererseits wirklich gut ist.

motor.de: Man braucht also eine gute popkulturelle Ausbildung, um gute Musik zu machen?

Chris: Nein, aber um guten Pop zu machen. Und ehrlich gesagt sind es doch gerade die Trash-Fundstücke, die die Beschäftigung mit Pop erst wirklich amüsant machen. Wir zitieren im Moment gerne den Film “Stealth” mit Jamie Fox, Jessica Biel, Sam Sheppard und dem unvergleichlichen Eddie. Der ist echt super!
Keith: Eddie ist ein sprechendes Flugzeug mit künstlicher Intelligenz. Was für eine brillante Idee.
Chris: Ich weiß bis heute nicht, warum der Film nicht ein Riesenerfolg war… wahrscheinlich hat der Vertrieb Mist gebaut.
Keith: Vielleicht sollten wir doch kein Label zusammen haben.

Timo Richard

VÖ: 18.6.2010

Label: PIAS

Tracklist:

1. Rules Don’t Stop
2. I Don’t Bite
3. Nice Guys
4. Jack And Ginger
5. Pittsburgh
6. Ambition
7. Break It Up
8. Foreign Kicks
9. You Should Learn
10. Central AC

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