Irgendwas ist immer! Erst wurden wir Papst, dann wurden wir Weltmeister (der Herzen, der Handballer, der Fußball-Frauen) und schließlich sogar Oscar. Letzteres übrigens nicht zum ersten Mal, nur hatte bisher niemand so viel Wind darum gemacht wie Luftikus von Donnersmarck. Nun jedenfalls, so hat es den Anschein, sind wir Hollywood. Und mit wir meine ich, das versteht sich natürlich von selbst, die Deutschen!
Vor kurzem drehte sich in der Traumfabrik noch alles um die Mexikaner, nun locken die Studios in einer Tour deutsche Regietalente über den großen Teich – und das sogar noch bevor Florian von und zu überhaupt zum Zuge gekommen ist. Vielleicht liegt es am Klischee vom fleißigen, disziplinierten Arbeiter, vielleicht daran, dass man als Regisseur in Deutschland gewohnt ist, mit möglichst wenig Geld auszukommen. Auf jeden Fall feiert ein heimisches Talent nach dem nächsten dort drüben gerade sein US-Debüt. Vergangene Woche war es Mennan Yappo mit seinem etwas müden Sandra Bullock-Krimi, diese Woche sind sogar zwei: Oliver Hirschbiegel mit seinen „Bodysnatchers“-Remake „Invasion“ und Marco Kreuzpaintner mit dem Frauenhandel-Drama „Trade – Willkommen in Amerika“.
Die alleridealsten Filme haben die beiden Herren sich dabei leider nicht ausgesucht. In Hirschbiegels Horrorthriller wird die Menschheit von Außerirdischen heimgesucht und in gleichgeschaltete, emotionslose Wesen verwandelt. Dass er allerdings ausgerechnet die nicht eben überschwängliche Frostbeule Nicole Kidman ausgewählt hat, um die Bevölkerung zu retten, ist eine seltsame Entscheidung. Noch größere Sorgen machen allerdings die Berichte darüber, dass lange nach Ende der Dreharbeiten plötzlich noch die Wachowski-Brüder („Matrix“) verpflichtet wurden, um ganze Szenen des Films nach- und neu zu drehen. Aber vielleicht ist es auch nicht verkehrt, wenn Hirschbiegel die harte Hollywood-Realität gleich von Anfang an mitbekommt.
Wesentlich erbaulicher dürfte es Kreuzpaintner gehabt haben, der für seinen dritten Spielfilm „Trade“ gleich vom Ami-erfahrenen Kollegen Roland Emmerich produziert und protegiert wurde. Sein erschütterndes Thema – junge Mädchen werden über die mexikanisch-amerikanische Grenze geschmuggelt und schließlich übers Internet an versteigert – könnte weiter vom deutschen Mittelklasse-Alltag nicht entfernt sein. Sehr souverän setzt der junge Bayer diese Geschichte in massentaugliche Unterhaltung um, die in der Tat zu Tränen rührt. Aber die Frage, ob Aufklärungsarbeit für eine so wichtige Thematik wirklich mit dermaßen viel Pathos und Road-Movie-Romantik erzielt werden muss, darf durchaus gestellt werden.
Das (noch) bessere Hollywood-Kino kommt in dieser Woche deswegen dann doch von amerikanischen Regisseuren. Billy Ray hat etwa mit „Enttarnt“ einen zwar altmodisch wirkenden, aber hoch spannenden Politthriller über Spionage beim FBI gedreht, der mit fantastischen Schauspielern aufwartet.
Und wer sich für opulente Fantasy-Märchen erwärmen kann, ohne darüber auf Ironie und Augenzwinkern zu verzichten, wird mit „Der Sternwanderer“ erfreulich gut bedient. Dass außerdem Michelle Pfeiffer, Claire Danes, Robert de Niro, Rupert Everett und Sienna Miller mit von der Partie sind, schadet natürlich auch nicht. Unterdessen bekommt vor allem Hirschbiegel direkte Konkurrenz im Horrorthriller-Genre. Weniger von „The Messengers“, einem vorhersehbar-öden Durchschnittswerk zum Thema spukende Häuser. Aber zumindest die Gespenster in„Der eisige Tod“ mit Newcomer-Star Emily Blunt sorgen für einen erstaunlich hohen Gruselfaktor.
Auch Kreuzpaintners und Hirschbiegels zu Hause gebliebene Kollegen aus Deutschland schlagen sich mehr als wacker. Mit „Vivere“ legt Angela Maccarone ihren dritten überzeugenden Film in Serie vor, dieses Mal ein Roadmovie über drei Frauen, die von Hannelore Elsner, Esther Zimmering und Kim Schnitzer fantastisch gespielt werden.
Nicht weniger gelungen ist „Jagdhunde“, in dem Ann-Kristin Reyels schon mal dem Winter vorgreift und den 16-jährigen Lars (Constantin von Jascheroff) in einer tragikomischen Erzählung mit der Gefühlskälte seiner Familie konfrontiert. Man wird sehen, ob Hollywood irgendwann in den weiblichen Gefilden deutscher Filmemacher wildert, aber diese beiden Damen haben auf jeden Fall jede Aufmerksamkeit verdient.
Doch es gibt auch, das darf man nicht vergessen, Filme, die weder mit Hollywood noch mit Deutschland viel am Hut haben. Ang Lee hat zwar schon so manches Mal in den USA gearbeitet und auch schon einen Oscar in der Tasche, aber sein neuer Erotikkrimi ist wieder auf chinesisch und in der taiwanesischen Heimat entstanden. Untertitel hin, akrobatische Sexzenen her – über zweieinhalb Stunden sind in „Gefahr und Begierde“ einfach ein wenig zu viel. Aber schön anzusehen ist der Film auf jeden Fall.
Alles andere also als „Import Export“ von Ulrich Seidl. Dem Österreicher, der so gerne provoziert, geht es in seinem beinahe dokumentarischen Drama nämlich gerade um die absolut hässliche Seite der Realität, in der Ukraine genauso wie in österreichischen Krankenhäusern. Nicht immer leicht zu ertragen, aber gerade deswegen sehenswert. In die USA bringen einen all die Aufnahmen von tristen Plattenbauten vermutlich nicht, denn für alles gibt sich auch Frau Kidman nicht her. Aber man darf davon ausgehen, dass der präzise, fiese Seidl dort auch, anders als Henckel von Donnersmarck, gar nicht hin will.
Text: Patrick Heidmann
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