Damit hatte wohl keiner gerechnet, wir haben die Apokalypse am 21.12.2012 tatsächlich überlebt, ebenso das Feuerwerk-Inferno am gestrigen Abend. Dabei war man sich eigentlich grundliegend sicher, dass der Tod das unweigerliche Ende bedeutet. Doch nicht nur zahlreiche Zombie-Filme legen das Gegenteil nahe, sondern auch Jesus, schon klar. Aber eben auch Soundgarden – man höre und staune.
Denn jüngst ist genau das eingetroffen, was ich vor knapp zwei Jahren aller Nostalgie zum Trotz selbst nicht wirklich glauben wollte, denn bis dato war der Grunge schon dreimal hopsgegangen. Erstmals 1994 mit Kurts Eintritt in den Club Forever 27; acht Jahre später starb er dann posthum gleich nochmal, als sich Layne Staley mit einem tödlichen Speedball (einer Mischung aus Kokain und Heroin) aus dem Leben katapultierte. Und da alle guten Dinge bekanntlich drei sind, bringt Chris Cornell 2009 im Rahmen seiner Zusammenarbeit mit Timbaland gleich noch eine musikalischen Todgeburt zur Welt. Ganz klasse. Damit war endgültig jedes noch so kleine Fünkchen Hoffnung erloschen, sodass mich die Ankündigung einer Soundgarden Reunion 2011 zu einem missmutigen Artikel mit folgenden Zeilen veranlasste:
Zu dieser Zeit versank auch die motor.de Redaktion in Melancholie. Zunächst ein Nachruf, als 2011 mit Mike Starr – dem Ur-Bassisten von Alice In Chains – ein weiterer Held vergangener Glanztage seiner Heroinsucht erliegt. Dann folgte eine Rückbesinnung anlässlich des 20-jährigen Geburtstags von Nirvanas Nevermind. Damals gab es eigentlich keinen Zweifel, wahrscheinlich hat mich lediglich Zynismus oder der ewig gestrige, nostalgisch auf die 90’s fixierte Teenie in mir bewegt, den Artikel mit einem Hauch von Hoffnung zu schließen: “Ob es nun tatsächlich einen zweiten Frühling gibt, bleibt also abzuwarten.”
Was als rhetorische Frage angelegt war, ist angesichts der jüngsten Ereignisse nun schlichtweg zu bejahen. Alles deutet derzeit daraufhin, dass 2013 zum Jahr des Grunge-Revivals werden wird. Zunächst knüpfen die Wegbereiter Dinosaur Jr mit ‘I Bet On Sky‘ in Sachen fuzzy Alternative-Noise-Rock völlig lässig an alte Glanztaten an, dann kehrt urplötzlich Neil Young mit ‘Psychedelic Pill‘ in seiner Funktion als Godfather of Grunge zurück und schlussendlich kommt es zur Gretchenfrage, denn Soundgarden legen mit ‘King Animal’ ihr erstes Studioalbum seit 1996 vor. Das Cover-Artwork bestätigt zunächst die eingangs beschriebenen Befürchtungen, doch schon die ersten Takte heben schlagartig sämtliche Zweifel auf. Man muss sich zunächst einmal kneifen, doch was hier geschieht ist tatsächlich real. Popkulturelle Zeitreisen sind nicht länger Science Fiction: ‘King Animal’ ist das logische Bindeglied, welches zwischen ‘Badmotorfinger’ und ‘Superunkown’ hätte stehen müssen. Energetisch. Authentisch. 1992. Nur zwei Dekaden zu spät.
Soundgarden – “Been Away Too Long”
Moment mal, zwei Dekaden? Jene magische Zahl, die Simon Reynolds, der hiesige Hohepriester des Popjournalismus, als den Zeitraum für Retro-Phänomene ausmacht?! Wir erinnern uns an Retromania: In diesem gegenwärtig so wichtigen Werk beschreibt er eine “Twenty Year Rule of Revivalism”. Wendet man diese konkret an, so kommt erstaunliches zu Tage: Das Dinosaur Jr. Durchbruchsalbum ‘Green Mind’ erschien vor exakt 20 Jahren. Neil Young vollendet zu dieser Zeit ‘Harvest Moon’, sein für die Grunge-Welle so prägendes Album ‘Rust Never Sleeps’ liegt damals auch erst drei Jahre zurück. 1992 erscheint mit ‘Dirt’ von Alice In Chains zudem einer der ganz großen Glanzwerke des Genres, nun hat die Band für 2013 ihr fünftes Studioalbum angekündigt. Ebenso Mudhoney, deren neue Platte im Frühjahr erscheinen soll. Deren Leckerbissen ‘Piece of Cake’ – ebenfalls 20 Jahre alt. Auch Pearl Jam haben ein neues Studiowerk angekündigt. ‘Ten’ ist nun 21. Ebenfalls nicht weit gefehlt. Und plötzlich meint Paul McCartney als schlechter Cobain-Ersatz mit den Überresten von Nirvana spielen zu müssen. Irgendwie peinlich, aber relevant, ein Zeichen. Denn deutet man dies als Quasi-Auferstehung Nirvanas, sind die Big Four des Grunge wieder komplettiert und im Begriff in diesem Jahr eine große neue Platte vorzulegen.
Zudem scheint sich auch die Modewelt einig zu sein: Die entsprechenden Klamotten werden 2013 plötzlich wieder total en vogue sein. Die Trendbarometer stehen ganz auf “Schmuddel-Look”. Dies sagen neben diversen Fashion-Blogs und Desgin-Gurus auch die Modeexperten der L.A. Times – und die müssen’s ja wissen. Spätestens jetzt ist klar, die Sterne für 2013 stehen in einer eindeutigen Konstellation. Es besteht also kein Zweifel mehr, der Grunge wird wiederkehren. Kurzum, Totgeglaubte leben länger. Damit steht auch schon der Vorsatz für’s neue Jahr: Schon mal Fixerbesteck und Schlabber-Strickpulli parat legen.
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