“Nimm lieber Gummistiefel mit” – das war der wohl wichtigste Rat für die zurückliegende Festival-Saison. Dem geneigten Campingfreund und Dosenravioli-Genießer machte das Wetter diesen Sommer einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Die motor.de-Redaktion war das ein oder andere Mal falsch gekleidet, aber dennoch oft am richtigen Ort. Wo es uns gefiel und was einfach unterirdisch war, lest ihr in unserem Festival-Rückblick 2011.

Laut, intensiv, nass – es bedarf nicht immer der großen Worte, um die diesjährige Festivalsaison zusammenzufassen. 2011 war sicherlich überschattet, oder eher durchtränkt, vom schlechten Wetter – das vor allen Dingen das MS Dockville heimsuchte, das kurzerhand in MS Mudville umbenannt wurde. Dennoch: zwar hatten nicht alle Festivals Sonne satt zu bieten, dafür gaben sich die unterschiedlichen Veranstalter größte Mühe, den aktuellen Trend, Mainstream und Newcomer-Bereich mit interessanten Künstlern zu füllen. Wer sich trotzdem der scheinbar unausweichlich zum Standard gewordenen Werbegigantomanie aussetze, erhielt nicht nur Tic-Tacs, die neuesten Automobile vorgeführt oder Regenjacken (powered by Firma XY), sondern erlebte einen aufregenden Festivalsommer, der für jeden Geschmack etwas zu bieten hatte.

Neu an der Saison war die ausführliche, mediale Berichtstattung. Ganz vorne mit dabei: ZDFkultur. Nicht mal ein Jahr auf Sendung und schon übertrifft der Sender die komplette Berichterstattung von MTV – Chapeau! Dass durchaus noch am Moderatoren-Team gearbeitet werden darf, oder die Auswahl der gezeigten Bands eher zum Zappen einlud – (mehr oder weniger) geschenkt. Auch wenn Festival-Fernsehen natürlich gefundenes Fressen für alle Couch-Potatos ist, hat sich die motor.de-Redaktion auf die (mitunter nassen) Socken gemacht, um eine Reihe an mannigfaltigen Künstlern live auf den Zahn zu fühlen. Beginnend beim Immergut im beschaulichen Mecklenburg-Vorpommern führte uns der Weg nach Niedersachsen, auf die Reeperbahn, nach Frankreich und Dänemark hinein die Hangar-Hallen des Berliner Flughafens.

Die Auswertung der Festival-Saison hat nicht nur Spaß gebracht, sondern uns sogar auf eine Idee. Im kommenden Jahr werden wir den motor.de-Festivalpreis für das beste Happening 2012 vergeben. Bis dahin, schwelgen wir noch in den Erinnerungen aus diesem Jahr und wollen euch unsere Eindrücke mit allen Höhen und Tiefen nicht vorenthalten. In komprimierter Form gehen wir noch mal die wichtigsten Eckdaten wie Organisation, Line-Up und Sound durch und präsentieren die Höhe- sowie Tiefpunkte des diesjährigen Festivalsommers.

WANN: 27. – 28. Mai
WO: Neustrelitz, McPomm
WER: Mogwai, dEUS, Herrenmagazin

LINE-UP Daumen Hoch
ORGANISATION/ZEITPLAN       Daumen Mitte
LOCATION/SOUND Daumen Hoch
   
HÖHEPUNKT Die sympathischen Herrenmagazin
TIEFPUNKT Der Sound bei Mogwai

Das Immergut zählt nach wie vor zu den wohl schönsten und familiärsten Festivals für den ambitionierten Independent-Freund. Die Location ist kaum zu toppen, das Gelände klein, übersichtlich und das Team herzlich und zuvorkommend. Mit 5000 Leuten in der Mecklenburger Pampa für drei Tage mal richtig einen draufmachen – das kann man wirklich nur empfehlen. Weiter so!

WANN: 27. – 28. Mai
WO: Aarhus, Dänemark
WER: Lucy Love, Helgi Jonsson, Figurines

LINE-UP Daumen Mitte
ORGANISATION/ZEITPLAN      Daumen Hoch
LOCATION/SOUND Daumen Hoch
   
HÖHEPUNKT Anna von Hausswolff
TIEFPUNKT Die verschlossenen Türen bei Helgi Jonsson

Das SPOT fuhr ein Line-Up voll relativ kleiner dänischer KünstlerInnen auf, überraschte daher häufig positiv und überzeugte mit Venues samt großartiger Akustik. Trotz Einlassstops ein gut organisiertes Venue-Festival. Rundum gelungen!

WANN: 26. – 28. Mai
WO: Landgraaf, Niederlande
WER: Foo Fighters, Kings Of Leon, Coldplay

LINE-UP Daumen Hoch
ORGANISATION/ZEITPLAN      Daumen Hoch
LOCATION/SOUND Daumen Hoch                       
   
HÖHEPUNKT Foo Fighters
TIEFPUNKT Wenig Zeltplätze

Insgesamt bietet das PinkPop-Festival drei Bühnen und dennoch keine Überschneindungen trotz der großen Auswahl an tollen Acts. Im Vergleich zu den großen deutschen Festivals ist das Event weitaus gesitteter, etwas “ruhiger”. Die Menschen kommen hier vor allem wegen der Musik, weniger aufgrund des großen Trubels, kein “Sauf-Festival-Tourismus”. Absolut zu empfehlen. Line-Up ähnlich wie bei Rock am Ring, allerdings mit mehr Indie.

WANN: 17. – 19. Juni
WO: Scheeßel, Niedersachsen
WER: Foo Fighters, Kasabian, Arctic Monkeys

LINE-UP Daumen Mitte
ORGANISATION/ZEITPLAN      Daumen Hoch
LOCATION/SOUND Daumen Hoch
   
HÖHEPUNKT Foo Fighters
TIEFPUNKT Incbus (schlimmste Live-Trauma des Sommers)

Zu Recht ist das Hurricane Festival immer noch eines der führenden Open-Air-Events in der Oberklasse und auch in diesem Jahr konnte es wieder mit einigen Größen auftrumpfen. Zudem zeigt es stilistische Sicherheit und hat immer ein paar Perlen in der Hinterhand, die man nie auf einem Rock am Ring oder Rock Im Park-Festival zu Gesicht bekommen würde. Trotz einer mehr als beachtlichen Anzahl an Festivalisten konnte man in diesem Jahr trotzdem fast alles mitnehmen, was der Festivalplan hergab. Abstriche gibt es lediglich beim Wetter und bei den Strecken, denn das Gelände zieht sich schon ziemlich.

WANN: 30. Juni – 3. Juli 
WO: Roskilde, Dänemark
WER: Kings Of Leon, Mastodon, Iron Maiden

LINE-UP Daumen Mitte
ORGANISATION/ZEITPLAN Daumen Hoch
LOCATION/SOUND Daumen Hoch
   
HÖHEPUNKT Mastodon
TIEFPUNKT Portishead

Friedliches und atmosphärisches Festival in wunderschöner Landschaft, das ausschließlich von ehrenamtlichen Helfern organisiert wird. Sechs Bühnen mit jeweils verschiedenen musikalischen Konzepten sorgen für eine Menge Abwechslung. Von Metal bis Singer-Songwriter wird hier jeder fündig. Der Tod einer deutschen Festivalbesucherin hinterließ einen mehr als nur faden Beigeschmack.

WANN: 8. – 9. Juli
WO: Amneville, Frankreich
WER: Big 4 (Metallica, Slayer, Anthrax, Megadeth)

LINE-UP Daumen Hoch
ORGANISATION/ZEITPLAN   Daumen Hoch
LOCATION/SOUND Daumen Hoch
   
HÖHEPUNKT Metallica
TIEFPUNKT Wenig Zeltplätze, lange Wege

Das französische Sonisphere bei Metz bietet mit zwei großen Bühnen spektakuläre Shows, die auf jedem gesamten Festivalgelände bestens verfolgt werden können. Herausragend sind die nicht vorhandenen Überschneidungen wichtiger Bands. Leider findet das Festival auf einem Betonplatz statt, der jedoch den Regenmassen standhielt – gut bei insgesamt 75.000 Zuschauern.

WANN: 15. – 17. Juli
WO: Ferropolis, Gräfenhainichen
WER: Pulp, Editors, Paul Kalkbrenner, The Streets

LINE-UP Daumen Hoch
ORGANISATION/ZEITPLAN       Daumen Mitte
LOCATION/SOUND Doppel-Daumen Hoch
   
HÖHEPUNKT Big-Wheel-Stage bei Sonnenaufgang
TIEFPUNKT Beady Eye

Das Melt!-Festival wusste auch 2011 wieder mit einem absolut abwechslungsreichen Lineup zu überzeugen. Sicher, es waren nicht Über-Namen wie Björk, Oasis oder Massive Attack dabei wie in den Jahren zuvor – dafür gab es umso mehr neue Lieblingsbands zu entdecken. Festivaltypisch war auch das Wetter: Nachdem man an einem Tag vor Hitze fast zerfloss, sorgte der Regen am darauffolgenden Tag für so manches schwimmende Zelt. Der Laune hat dies keinen Abbruch getan. Das Publikum war von der Audiolith-Auftaktparty am Donnerstag an bis zum letzten Act Richie Hawtin, der mal eben eine Stunde überzog, durchweg euphorisiert.

WANN: 22. – 23. Juli
WO: Rüsselheim, Opel-Werk
WER: Junip, Two Gallants, Bodi Bill

LINE-UP Daumen Hoch
ORGANISATION/ZEITPLAN        Daumen Hoch
LOCATION/SOUND Daumen Mitte
   
HÖHEPUNKT Sonnenuntergang bei Future Islands
TIEFPUNKT —–

Insgesamt ist das Phono Pop ein beschauliches, kleines Festival mit nicht viel mehr als tausend Besuchern am Abend, das trotz seiner intimen Größe stets ein ansehnliches Line-Up anbietet. Open-Air-Stimmung gepaart mit der Künstlernähe wird in einem Rahmen aus liebevollem Catering und zwar etwas kühler aber dennoch außergewöhnlichen Szenerie geboten. Die Campingplätze liegen etwas abseits vom Innenstadt-Gelände, alles ist jedoch gut zu erreichen. Ein Besuch lohnt auf jeden Fall.

WANN: 12. – 15. Juli
WO: Dour, Belgien
WER: Pulp, Public Enemy, Cypress Hill, Mogwai

LINE-UP Daumen Hoch
ORGANISATION/ZEITPLAN Daumen Hoch               
LOCATION/SOUND Daumen Hoch
   
HÖHEPUNKT Pulp, Public Enemy
TIEFPUNKT —–

Das belgische Dour Festival bietet insgesamt sieben Bühnen und ein buntes Konglomerat an verschiedenen Musikrichtungen. Der große Vorteil trotz der Größe sind die kurzen Gehwege zu allen Bühnen. Dennoch: keine Sound-Vermischungen und ein sehr guter Sound. Das Gelände liegt im Park, sodass die Location wirklich hervorzuheben ist. Und die Wiesen haben sogar enormen Platzregen mitgemacht – kein Schlamm trotz 140 000 Besucher! Und wer nicht nur Musik hören wollte, konnte sich unter anderem beim interkulturellen Fussballturnier beteiligen. Preis/Leistung-Verhältnis ist wirklich unschlagbar: 4 Tage, 7 Bühnen – nur 100 Euro.

WANN: 5. – 6. August
WO: Friedland, südöstlich von Berlin,
WER: Flashguns, Fotos, Ja,Panik

LINE-UP Daumen Hoch
ORGANISATION/ZEITPLAN         Daumen Hoch
LOCATION/SOUND Daumen Hoch
   
HÖHEPUNKT Seifenblasen in der Luft, billiges Bier, After-Show-Dance mit den Bands
TIEFPUNKT Ein arroganter und besoffener Finn

Das kleine putzige Benefizfestival mitten in der Brandenburger Pampa ist eine Klang gewordene Ode an die Schönheit der Musik, der Feierei und der Menschen. 500 Besucher wandern jeden Abend vom Minicampingplatz zur Burg, wo feinster Indie, deliziöser Rock und fetter Elektro warten. Als Teil der Jenseitsfamilie möchte man dort alt werden und nach zwei Tagen nicht wieder in die Zivilisation zurück kehren.

WANN: 11. – 13. August 
WO: Rees Haldern
WER: Fleet Foxes, James Blake, Explosions In The Sky

LINE-UP Daumen Hoch
ORGANISATION/ZEITPLAN  Daumen Hoch                
LOCATION/SOUND Daumen Hoch
   
HÖHEPUNKT Fleet Foxes
TIEFPUNKT Anna Calvi

Das Line-Up war zwar – und damit ganz typisch für das Haldern – recht speziell, dabei aber so interessant, dass man sich oft nach langem Abwägen für ein Konzert entscheiden musste. Dabei gab es so gut wie keine Verspätungen, Überschneidungen blieben nicht aus, was in diesem Fall aber durchaus positiv gewertet werden darf. Die Location ist vor allem eines: ländlich. Das ganze Dorf beteiligt sich alljährlich an der Ausrichtung des Festivals- und das spürt man sowohl beim Bierkauf an der Theke als auch vor der Bühne, wo stets kleine OhrschutzträgerInnen auf elterlichen Schultern im Takt wippen. Haldern ist groß- und bleibt dabei ein Familienfest. Jedes Jahr aufs Neue.

WANN: 12. – 14. August
WO: Rothenburg o.d. Tauber
WER: Iggy Pop, Fanta 4, The Subways

LINE-UP Daumen Mitte
ORGANISATION/ZEITPLAN        Daumen Hoch
LOCATION/SOUND Daumen Hoch
   
HÖHEPUNKT Iggy Pop
TIEFPUNKT Lange Gehwege, Nebenbühnen schwer erreichbar

Das idyllische Taubertal-Festival war im Großen und Ganzen sehr gut organisiert. Mit dem Festivalgelände auf einer Wiese direkt am Fluss, unterhalb der Rothenburger Altstadt, wissen die Veranstalter mit Flair zu glänzen. Einen besonders guten Blick auf die Hauptbühne hat man von einem kleinen Hang im Gelände – dennoch: angenehme Größe für ein Festival, nicht ohne Grund auch “Clubshow” genannt.

WANN: 12. – 14. August
WO: Hamburg-Wilhemsburg
WER: Santigold, Editors, Crystal Castles, Trail of Dead

LINE-UP Daumen Hoch
ORGANISATION/ZEITPLAN          Daumen Runter
LOCATION/SOUND Daumen Mitte
   
HÖHEPUNKT Crystal Castles, die Sonnen-Beschwörer
TIEFPUNKT Das Wetter! MS Mudville

Was für ein tolles, aufstrebendes Festival in kunstvoller, nordischer Location mit so vielen Bands, dass man gar nicht weiß wohin mit sich. Wäre das Wetter, und deswegen der viele Matsch und deswegen die organisatorischen Missstände nicht gewesen, hätte es wahrlich grandios werden können. Die Bands waren dies zumindest.

WANN: 19. – 21. August

WO: Störmthaler See, Großpösna
WER: Seeed, The Kooks, Foo Fighters

LINE-UP Daumen Hoch
ORGANISATION/ZEITPLAN Daumen Hoch
LOCATION/SOUND Daumen Mitte
   
HÖHEPUNKT Seeed, Foo Fighters
TIEFPUNKT 30 Seconds To Mars

Das Highfield Festival hat seinen Gästen definitiv kräftig in den Hintern getreten. Das ist nichts für sensible Ohren oder Fans von Weichspül-Indiepop – weder Dave Grohls energiegeladenes Stromgitarren-Gezocke, noch die dicken Beats von Seeed, noch das Gehabe von 30 Seconds To Mars-Frontmann Jared Leto. Obwohl letzteres ja eigentlich für niemanden was ist. Im Großen und Ganzen ein super organisiertes Festival, das im Gegenzug zu anderen Veranstaltungen dieses Sommers nicht im wahrsten Sinne des Wortes im Schlamm versunken ist: Sonnenschein für “High-Times”.

WANN: 9. – 10. September
WO: Berlin, Flughafen-Tempelhof
WER: Beginner, Public Enemy, Boys Noize, Pantha Du Prince

LINE-UP Daumen Hoch
ORGANISATION/ZEITPLAN                                                                                           Daumen Mitte
LOCATION/SOUND           Daumen Mitte
   
HÖHEPUNKT Sorry Pantha Du Prince, aber Legenden sind nunmal Legenden: Public Enemy
TIEFPUNKT Mr. Oizo, bisweilen auch der Sound

Nach dem Debakel im vergangenen Jahre – im Zuge von Duisburg wurde das Festival 2010 abgebrochen – hat sich das Berlin Festival eine Frischzellenkur verpasst. Nicht nur die Öffnung der zwei Flugzeug-Hangar war notwendig und richtig, auch die Mischung zwischen HipHop, Electro, Techno, Indie und Rock bot für jeden Festivalbesucher eine Menge Unterhaltung. 5000 Besucher weniger als noch im Vorjahr klingt nach Abwärtstrend, doch mit der Teilung von Festival und Club-Nächte ist den Veranstaltern ein wichtiger Spagat gelungen. Bitte am Sound arbeiten, und ja: die Auto-Werbung neben Street Art-Ausstellung zu positionieren, ist mehr als fragwürdig.

WANN: 22. – 24. September
WO: St. Pauli, Reeperbahn
WER: Moon Duo, Apparat, War On Drugs

LINE-UP Daumen Hoch
ORGANSATION/ZEITPLAN           Daumen Hoch
LOCATION/SOUND Daumen Hoch       
   
HÖHEPUNKT St. Pauli
TIEFPUNKT Kognitiver Overkill bei über 200 Bands

Das Reeperbahnfestival gehört zweifelsohne zu den spannendsten Festivals, das man auf hiesigem Boden erleben darf. Die gesamte Kombination aus Musik, Kunst, Kneipenkultur und dem typischen Reeperbahn Rotlicht-Charme – es ist ein Entdeckerfestival, was nicht geplant sondern, einfach erlebt werden sollte – bildet ein unglaublich spannendes und schnelles Konglomerat aus Eindrücken, die schlichtweg überwältigen. Eine Erfahrung, die wahrscheinlich mit jeder Wiederholung intensiver wird.

Das war die Festival-Saison aus unserer Sicht. Wie hat es euch gefallen? Was waren eure Höhe- und Tiefpunkte? Welchen Festivals steuert ihr auch im kommenden Jahr wieder an, welche Happenings haben euch derart abgeschreckt, dass es erstmal euer letzter Aufenthalt war? Teilt eure Erfahrungen mit uns!