Die Selbstkritik der Woche protokolliert, was wir von Personen oder Institutionen des aktuellen Interesses diese Woche eigentlich hätten hören müssen.

(Foto: Add On Music)

Wenn nicht mehr viel geht, geht immer noch eine künstlerische Runderneuerung. Bei Bands mündet das dann meist in den berühmtberüchtigten Soloausflügen einzelner Mitglieder. Kann gut enden, aber irgendwie auch nicht immer. Ein Drittel von Fettes Brot erklärt seine Ambitionen:

“Zugegeben, das gute alte Sprichwort ‘Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert’ trifft auf uns sowieso nicht zu. Fettes Brot hatten nie einen solchen Ruf – und wenn, dann war der von vornherein nicht der Beste. Wir blieben ja eh die lustigen Spaß-Rapper aus den 90ern. Wisst ihr noch? Wir waren schon 1995 “Nordisch By Nature”, wir konnten uns nicht entscheiden, haben unsere Leute da draußen gegrüsst, gaben die schwulen Mädchen und zwangen Bettina, ihre Brüste einzupacken. Ja, glorreiche Zeiten. Wir haben aber zuletzt gern mal das ein oder andere ernste Thema zuletzt eingebaut. Conscience Rap aus dem hohen Norden sozusagen. Wir werden ja auch nicht jünger. Also auf dem Papier. Ansonsten muss das ja immer weitergehen. Deshalb will ich’s jetzt wissen. König Boris tanzt. Ey, und ich bin so fresh, sag ich euch. Endlich gebe ich dem Pop in diesem Land etwas Diskursives. Mit Schminke und Verkleidung – verschärft oder? Und natürlich mit locker-flockiger Gesellschaftskritik – zielgruppenorientiert versteht sich. Wir leben ja in doofen Zeiten, so mit medialer Übersättigung, Finanzkrise und ähnlichem Firlefanz.

Der König Tanzt – “Alles Dreht Sich”

Das muss man ja auch mal ansprechen können und wär soll das denn sonst machen? Silbermond? Und meine Mitkollegen haben eh keine Lust im Moment. Und da ich trendbewusst bin, mach ich auch keinen Rap, sondern ganz tighten Pop, mit so dezentem Indie-, Elektro-, Retro-Irgendwas-Einschlag. Also etwas, was rummst. So ein bisschen. Eigentlich würd ich das gern wie Deichkind machen, aber nich ganz so prollig. Gut, ist dann in Sachen Produktion vielleicht nicht ganz so schmissig geworden. Ich würd es ja auch gern wie der Peter Fox von Seeed machen, der ist ja auch erfolgreich solo gegangen. Aber meine Hits sind sicher zu subtil und die Texte zu intelligent, da wird es mit der Masse schwer. Die checken die Ironie doch gar nicht, die Leute da draußen. Und gut, ich kann jetzt auch nicht wirklich singen. Das hab ich ja während zwei Dekaden Fettes Brot auch nicht gekonnt und dennoch gemacht. Klar, wenn dann die Raps völlig wegfallen, könnte das nervig sein. Aber Leute, das ist ja auch Teil meiner Rebellion gegen das konforme System. In einer Welt, in der jeder so im X-Factor-Style trällern muss, einfach mal bewusst keinen Ton treffen. Das ist Punk! In ein Pop-Korsett eingepackt, ins Radio will und muss ich ja dennoch. Auto Tune adé! Wie die Texte. Die sind vielleicht etwas bieder, aber haben es faustdick hinter den Ohren, sag ich euch, hört ruhig zwei Mal hin, wenn ich gleichzeitig die Jugend zelebriere und mich von ihr distanziere. Aber diese inhaltliche Balance ist vermutlich nix für den Mainstream, obwohl ich den ja schon gern damit erreichen würde. Es ist schon nicht leicht, der König zu sein. Da hilft nur eines: Tanzen! Und am besten nicht weiter drüber nachdenken.”