Dead Confederate und The Whigs über Verantwortung als Musiker, soziales Engagement und die Live-Qualitäten.
Lieben die Garage und Röhrenverstärker: The Whigs
Athens, Georgia ist ein kleines Nest mit gut 100.000 Einwohnern im Südosten der Staaten. Nichts besonderes möchte man meinen, jedoch trügt der Frieden. In dieser Stadt schlummert ein enormes Maß an musikalischem Potential: Aus der Athens-Musikszene gingen schließlich bereits Bands wie R.E.M. oder The Police hervor, um nur zwei zu nennen. Außerdem sind 40 Kneipen und Konzertschuppen für diese eher gemütliche Einwohnerdichte ja auch eine angenehme Arbeitsgrundlage.
Auf den Bartresen und Bühnen der Stadt fühlen sich neben vielen anderen auch folgende zwei Bands wohl, die im Ende Februar gemeinsam über den großen Teich nach Europa flogen: Die sehr vom Grunge inspirierten Dead Confederate und ihre etwas glattgebügelteren Kollegen The Whigs. Beide Namen sind noch nicht stark bekannt in Deutschland, beide Bands jedoch sind emsig dabei, sich ihren Weg in die europäischen Gehörgänge zu ebnen. Ihre Alben „Sugar“ und „In The Dark“ stehen hier frisch in den Läden und wollen gehört werden – zumal sie sich der Unterstützung vielversprechender Produzenten erfreuen. motor.de traf Hardy und John von Dead Confederate sowie Parker und Tim von The Whigs vor ihrer Show im Hamburger Molotow zum Interview.
Haben eine Vorliebe für Neil Young und Psychedelic: Dead Confederate
motor.de: Ihr seid zusammen unterwegs durch Europa. Da würde mich mal interessieren, wie ihr die jeweils andere Band beschreibt.
Parker: Also, Dead Confederate sind launisch, persönlich meine ich, aber sie rocken und haben einen recht dunklen Vibe. Und sie sind selbstverständlich “Southern Gentlemen”.
Hardy: (lacht) The Whigs sind ebensolche Gentlemen, dieses Kompliment müssen wir einfach zurückgeben. Musikalisch sind sie sehr direkt. Und verschwitzt. Alles ist voller Schweiß, wenn sie spielen: Sie selbst, der Boden, die Decken.
Parker: (lacht) Verschwitzt? Das ist super, danke!
motor.de: 2010 ist für euch viel passiert und es war verdammt spannendes Jahr: Fasst doch noch einmal zusammen.
Parker: 2010 war ein abenteuerliches, aber auch anstrengendes Jahr für uns. Wir waren ganze 10 Monate auf Tour. Dafür haben wir viele Karriere-Highlights erleben dürfen: Wir spielten in einigen Lateshows, waren auf vielen coolen Festivals und auf einigen großen Bühnen.
Tim: Wir sind viel gereist und haben viel von Europa gesehen.
Hardy: Was haben wir denn so gemacht 2010?
John: Wir haben ein neues Album gemacht und viele tolle Konzerte gespielt. Wir sind mit Alberta Cross zusammen getourt. Musikalisch war es ein spannendes Jahr und dann sind natürlich viele persönliche Dinge passiert.
Hardy: Ich habe geheiratet und The Whigs haben auf meiner Hochzeit gespielt.
motor.de: Was war eure größtes Konzert in den letzten Monaten?
Parker: Wir haben im Hydepark vor 65.000 Leuten gespielt, das war bisher unsere größte Show. Es war, als würden wir uns von oben sehen, so eine ‘out of body experience’. Es war sehr berauschend und hat unglaublichen Spaß gemacht.
John: Wir haben auch eine sehr große Show gespielt. Ich weiß nur leider nicht mehr wo. (lacht)
motor.de: Und heute spielt ihr im Molotow, wo gerade mal 200 oder 300 Leute reinpassen…
John: Wir mögen beides gerne.
Tim: Als wir mit den Kings of Leon getourt sind, waren wir nur in riesigen Hallen vor riesigem Publikum. Alles fühlt sich extrem groß an. Deshalb ist es in den kleinen Venues so schön, dass man die Leute sehen kann. Es ist verschwitzt und stickig und einfach intimer als so eine große Show.
motor.de: Parker, ihr habt viele Supportshows gespielt. Nervt euch das oder spornt es euch an?
Parker: Zuerst einmal ist es viel entspannter. Du musst nicht überlegen, ob viele Leute kommen werden. Die Bands, die wir bisher supportet haben, ziehen alle ein großes Publikum an. Es ist schön zu wissen, wenn Shows ausverkauft sind. Aber natürlich spornt uns das auch an, weil wir selbst gerne der Headliner wären. Es ist okay, dass wir es nicht sind, aber es bringt uns definitiv dazu, darauf hinarbeiten zu wollen. Außerdem lernen wir viel von den Bands, die wir supporten. Wie man eine gute Show aufzieht und auch viel Organisatorisches abseits der Bühne.
The Whigs – “I’m For Real”
motor.de: Letztes Jahr haben The Whigs für amerikanische Soldaten gespielt. Seht ihr eine Beziehung zwischen eurer Musik und Politik?
Tim: Für uns hatten diese Shows eigentlich gar nichts mit Politik zu tun. Mein Vater war auch beim Militär und diese Leute haben eben ein ganz anderes Leben. Sie ziehen oft um an Orte, an denen es meistens nicht viel Unterhaltung gibt. Schon als ich klein war, habe ich Musik geliebt, aber ich konnte nie irgendwelche Konzerte sehen. Unsere Shows sollten mehr eine Art Geste sein, wir wollten den Soldaten und ihren Familien ein bisschen Entspannung von ihren alltäglichen Pflichten geben und für ein bisschen Spaß sorgen. Das ist das Mindeste, was wir für Menschen tun können, die so ein Opfer für uns bringen.
motor.de: Ihr engagiert euch außerdem für Nuçis Space, einer Organisation in eurer Heimatstadt Athens, die unter anderem Musikern mit Depressionen hilft. Als wie belastend empfindet ihr es selbst, professionell Musik zu machen?
Parker: Man investiert emotional schon sehr viel. Wenn du auf Tour gehst, verpasst du so vieles: Hochzeiten, Geburtstage. Vieles, was man für selbstverständlich hält, ist plötzlich nicht mehr gegeben und damit muss man umgehen. Nuçis Space ist eine großartige Organisation, die Musikern eigentlich mit allem hilft – angefangen bei den grundsätzlichsten medizinischen Anliegen, wie Hörproblemen zum Beispiel.
Tim: Für uns ist es außerdem ein besonderer Ort, weil wir als Band dort angefangen haben. Wir haben uns dort gefunden, das erste Mal geprobt und proben sogar heute noch dort. Wir haben uns immer auf ganz verschiedene Arten mit der Organisation verbunden gefühlt.
motor.de: Denkt ihr, dass Musiker eine Art soziale Verantwortung haben?
Parker: Wenn es sowas gibt, dann hat sie eher abgenommen, würde ich sagen. Früher haben die Leute viel mehr Musik zur Unterhaltung genutzt, heute gibt es Videospiele und all das. Ich habe einfach das Gefühl, Musik ist nicht mehr so populär wie früher.
Hardy: Ich würde nicht sagen, dass wir eine Verantwortung haben, weil wir Musiker sind. Wenn man das Gefühl hat, dass man sich für etwas engagieren will, dann sollte man das tun, so wie sich The Whigs eben für Nuçis Space engagieren, weil sie sich mit dieser Organisation verbunden fühlen. Aber ich denke nicht, dass es eine Verpflichtung gibt, sich für etwas einzusetzen, nur weil man Musiker ist.
Dead Confederate – “Run From The Gun”
motor.de: Hardy, euer Album „Sugar“ ist mit 36 Minuten relativ kurz geraten. Gibt es einen Grund dafür?
Hardy: Das kommt durch die Songs. Parker, wie lang ist euer Album?
Parker: So um die 42 Minuten, aber die einzelnen Songs fühlen sich alle an, als wären sie fünf bis sechs Minuten lang.
Hardy: Es kommt halt immer drauf an, wie die Songs sich entwickeln. Manchmal sind sie kürzer, manchmal länger.
Parker: Jedenfalls hat euer Album eine coole Dynamik.
motor.de: Bei amazon kann man es für nur fünf Dollar kaufen. Andere Künstler rebellieren gegen solche Preispolitiken. Wie steht ihr dazu?
Hardy: Wir sehen das anders. Das Geld geht ja sowieso nicht an uns, sondern an unser Label. Es ist also deren Entscheidung. Für uns ist es jedenfalls gut, wenn mehr Leute unsere Musik hören. Und darin besteht ja der Anreiz eines solchen Preises.
John: Wir machen nicht viel Geld mit CD-Verkäufen oder Downloads, wir sind ja nicht Beyoncé. Wir machen unser Geld mit Touren.
Tim: Ja, das ist der Grund, warum auch wir so viel unterwegs sind. Natürlich spielen wir auch gerne live…
motor.de: Würdet ihr denn weniger touren, wenn es anders wäre?
Tim: Möglicherweise würde es die Dinge ein wenig ändern. Aber es übt ja auch einfach ungemein, live zu spielen. Wenn man einen Song schreibt, hat man die Bühne immer schon mit im Kopf, denn darauf läuft es eben hinaus.
John: Vielleicht touren wir auch deshalb, weil wir dabei so viel lernen. (lacht)
Tim: Es gibt Livebands und Studiobands. Wenn wir nicht so viel touren würden, wären wir wahrscheinlich mehr im Studio und möglicherweise auf eine andere Weise kreativ. Es ist eine gute Frage, ob man den Unterschied im Sound des Albums hören würde. Dead Confederate und The Whigs sind auf jeden Fall eher Livebands.
Interview: Claudia Jogschies
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