Tiefgang? Unangenehm! Botschafter? Niemals! Alles Zufall? Ja! – Trip Fontaine geben sich im motor.de-Interview als Glückskinder.

„Dinosaurs In Rocketships“ hieß das Album, das im Jahr 2008 fünf völlig abgedrehte Typen auf den Schirm brachte. Das war aber schon ihr Zweitling, den Trip Fontaine wenig später bei ihrer Tour zusammen mit Escapado auf die Bühnen der Republik brachten. Soundfrickelei vom Feinsten, Klang gewordener Enthusiasmus, Krach und Hysterie, Innehalten und mitgefühlt – schnell war klar: alles kann, alles muss. Es folgten drei Jahre ohne eine Veröffentlichung, aber mit stetigem Nachschub an Tourterminen. Die Bühnen wurden größer: Waren es im Jahre 2009 dann Turbostaat, mit denen Trip Fontaine einige Bühnen teilten, sind es anno 2011 die Beatsteaks, die sie supporten. Schuld daran ist nicht zuletzt „Lambada“, ihre dritte Platte, die vergangenen September auf den Markt kam. Seitdem adelten Kritiker die Jungs und betitelten sie als die Stiefsöhne von At The Drive-In etwa oder auch melodiösere Blood Brothers. So etwas kann doch nicht von ungefähr kommen – oder doch? Im motor.de-Interview gaben Bassist Flo und der „Schlagzeug-Joker“ Basti Auskunft über den Entstehungsprozess ihrer Alben, den Zufallsfaktor und ihre Beschäftigung in den Semesterferien.

motor.de: Mit der Kastanie habt ihr euch eine recht kuschelige Venue ausgesucht – letztes Jahr wart ihr dagegen sehr oft auf geräumigen Bühnen, teilweise auf Festivals, zu sehen – spielt ihr lieber die großen Shows oder wie heute in kleinen Kellerklubs?

Flo:
Die Chance, dass es gut wird, ist in kleineren Clubs immer größer. Aber das heißt nicht, dass große Bühnen per se immer doof sind. Festivals sind ganz unterschiedlich. Es gibt welche, da spielst du um zwei Uhr mittags und keine Sau interessiert das. Dann ist das Bühnenpersonal vielleicht noch schlecht gelaunt, weil sie schon seit 30 Stunden wach und die ganze Zeit trocken sind – das macht natürlich nicht so viel Spaß. Aber wir haben zum Beispiel letztes Jahr auf dem La Pampa gespielt, was sehr schön war. Mit so einer Riesenanlage hat man noch dazu natürlich einen kleinen technischen Vorteil. Man kriegt das manchmal hin, dass alles richtig richtig gut klingt auf der Bühne – dann ist der Spaßfaktor super groß.

motor.de: Wann habt ihr eigentlich das erste Mal vor Publikum gespielt, beziehungsweise wie habt ihr angefangen.

Flo: Jeder einzeln oder mit der Band? Basti erzähl mal was von Brain School! (lacht)

Basti: Das war der Name meiner ersten Band. Ein klassisches Schulprojekt. Wegen irgendeiner Schulfeier hatten wir uns gegründet und uns die Coverversionen irgendwelcher Klassiker angeeignet. Suuupercoole Sachen wie The Offspring, aber auch ganz schlimmen Kram wie von 3 Doors Down oder Limp Biscuit. Die anderen konnten gerade so spielen, ich war schon länger am Schlagzeug daheim und dann haben wir uns irgendwie zusammengewürfelt, um bei der Schulparty zu spielen. Das war dann auch mein erster Auftritt vor Publikum.

Flo: Ich hab genauso angefangen, nur in einer anderen Band. Mein Musiklehrer hat mich irgendwann gefragt, ob ich nicht gern zu einer Band kommen will. Da standen die Leute mit ihren umgeschnallten Instrumenten ganz steif da und haben Rockhits gecovert. Skunk Anansie und Green Day. Die ganz bekannte Kulturlocation Maximum und Lüdesheim war dann unserer allererster Auftrittsort.

Basti: Der kleine Kunstsaal in Obertshausen war mein erster Auftrittsort. Dorffestivitäten, wo mittags noch die Dorfschulbands auftreten können und die Menschen auf Bierbänken sitzen.

Trip Fontaine – “Shine On You Lazy Liaison”


motor.de: Wie habt ihr dann als Trip Fontaine zusammengefunden?

Basti: Timo, der jetzt auch bei uns spielt, der war mit in dieser Band. Und wir fanden dann irgendwann die Musikauswahl nicht mehr so gut und haben gesagt: Ok, wir wollen keine Betreuerin mehr haben, die daneben steht und uns beaufsichtigt. Also haben wir gesagt: Okay, wir machen unsere eigene Band. Da kam Klaus dazu, den wir kannten. Und nach und nach die anderen. Irgendwann 2005 waren wir dann diese Gruppe und das ist auch so geblieben.

motor.de: Wann war dann das erste Trip Fontaine Konzert?

Flo: Das ist schwer zu sagen.

Basti:
Es gab einen fließenden Übergang. Wahrscheinlich war das irgendein Proberaumkonzert. Wir können das nicht definitiv an einem Datum festnageln.

Flo: Man kann grob zusammenfassen, dass wir sechs oder sieben Jahre so in der Konstellation zusammen Musik machen.

motor.de: Ihr wohnt in ganz Deutschland verstreut…

Flo: Jetzt nicht mehr! Wir sind alle nach Berlin gezogen. Alle außer Klaus, der noch in Frankfurt wohnt. Timo war noch in Paderborn und Basti hat auch in Frankfurt gewohnt.

motor.de: Wie habt ihr da die Proben zustande gebracht und es geschafft, die Band am Leben zu erhalten?

Flo: Da wir alle Studenten waren, haben wir das dann in die Semesterferien gepackt, in denen wir als Band zusammen waren. Wir haben dann immer gesagt: Ok, nächstes Jahr machen wir eine Platte und das wurde mit den Semesterferien koordiniert. Als Alex und ich nach Berlin gezogen sind, haben wir gedacht, das funktioniert nicht. Aber irgendwie haben wir uns auch nicht aufgelöst. Wir führen dann immer nach Frankfurt für die Proben und dann konnten wir uns auch endlich irgendwann einen Proberaum in Berlin nehmen.

motor.de: Wie habt ihr letztendlich gemerkt: Okay, wow, das klappt!?

Basti: Na wir haben immer wieder Zeit gefunden. Irgendwer hat gesagt: „Ey ich hab Bock, Musik zu machen, dann und dann sind Ferien, hängen wir die ganzen Ferien zusammen!” Das war dann irgendwie selbstverständlich, dass man die Ferien dafür aufopfert. Daran hat man einfach gemerkt: Wir haben Bock drauf, machen wir weiter.

Motor.de: Das Feedback auf „Lambada“ war ja seitens der Kritiker sehr wohlwollend. Wie ist die Platte entstanden? Das klingt ja nun nicht gerade nach „mal eben in den Semesterferien treffen und zusammen abhängen“!

Basti: (lacht) Aber es ist eigentlich trotzdem genau so!

Flo: Das entwickelt sich dann über den Zeitraum. Natürlich spielt jeder in der Zwischenzeit sein Instrument und hat Sachen, die er gern hört, oder sammelt irgendwelche Teile. Letztendlich wird das dann aber immer im Proberaum zusammengetragen und dort schreiben wir dann die Songs zusammen. Es gibt auch Ausnahmen: Irgendwer hat schon etwas vorgearbeitet und das wird dann abgewandelt. „Bobo Blues“ von der letzten Platte ist komplett im Proberaum entstanden, ohne dass vorher irgendwas fertig war. Das ist ziemlich unspektakulär.

Basti: Wir treffen uns im Proberaum und machen da Musik.

Flo:
Das brauch man gar nicht erzählen.

motor.de: Es scheint mir aber sehr einfach, wenn ihr all das auf den „Wir machen einfach mal Musik“-Effekt schiebt!

Basti:
Aber es ist eben einfach so.

Flo:
Ist doch auch blöd, das dann zu mystifizieren und zu sagen „Ich sitze tagelang daheim und versuch das die ganze Zeit.“ Das wäre total gelogen.

motor.de: Was hat es mit dem Coverfoto von Lambada auf sich? Urlaub mit Mutti und Vati im Jahre Neunzehnhundertund…?

Flo: Das Foto hat Timo ausgepackt und es stammt von seinem Urlaub auf Usedom. Wir waren darin gar nicht involviert. Den plakativen Albumtitel hatten wir schon länger. Irgendwelche Bikinifrauen auf die Platte zu packen, wollten wir nicht. Strand und easy going hat dann ganz gut gepasst. Das wars auch schon – tiefer geht’s nicht.

motor.de: Wo geht’s denn tief?

Flo: Das Gegenteil: Tiefgang ist eher unangenehm, wenn zu viel hinein gedeutet wird und wenn man sich als Künstler stilisiert. Natürlich gibt’s Bands, die ich dafür toll finde. Aber wenn ich das selbst mache … nee… Wir sind einfach nur fünf Jungs, die sich treffen und Musik machen. Mehr ist das nicht.

motor.de: Damit habt ihr Erfolg.

Basti: Wenn man durch die Gegend fahren kann und die Leute zu den Konzerten kommen, dann find ich das gut. Aber was meinst du mit Erfolg?

Flo: Für mich ist Erfolg, dass wir so viel spielen können, wie wir wollen und dass Leute kommen. Wir lernen neue Menschen kennen und kommen in Städte, in die wir sonst nicht kommen würden. Inzwischen habe ich ein ziemlich genaues Bild von Deutschland, weil wir mittlerweile in so ziemlich jeder Stadt mit mehr als 100.000 Einwohnern gespielt haben. Unser Ziel ist, alles mal zu bespielen und dann beispielsweise zu lernen, dass Görlitz eigentlich ganz schön ist – das schafft man ja sonst nicht. Das ist Erfolg.

Trip Fontaine – “New Sweater”
 

motor.de: Euer Sound ist geprägt von sehr vielen Geräuschen, die man teilweise gar nicht zuordnen kann. Lambada rutscht teilweise in den Noise ab, mit vielen Entfremdungen und viel Krach. Woher nehmt ihr die Sounds, wie werden die für eine Platte ausgewählt?

Basti: Wir haben so Effektgeräte, da drückt man drauf und das kommt raus (lacht) Wir machen das, was uns gefällt.

Flo:
Es gibt da keinen Mastplan!

Basti:
Wir haben keine Soundbank, die wir durchforsten und dann jemand sagt „Oh, das könnten wir nehmen“. Es ist eher so, dass man vorher mal aus Versehen auf das Gerät getreten hat und dann kam nicht das normale Geräusch sondern ein Fiepen. Wollen wir das Fiepen irgenwie verwenden, kannst du das nochmal herstellen? Wir haben ein Gerät – exemplarisch wieder bei Bobo Blues – das macht wirklich nur Krach. Und tatsächlich haben wir es geschafft, einen konstanten Krach da heraus zu holen und den haben wir verwendet.

motor.de: Ein konkretes Beispiel: Der Song „Muskelschwede“ enthält ein sehr penetrantes Keyboard, das mich irgendwie an „Artig sein“ von Feeling B erinnert.

Basti:
Feeling B?

Flo: Diese krasse Terror-Noise-Band vor Rammstein! Die hat wahrscheinlich aber noch nie irgendjemand gehört.

Basti: Es gibt tatsächlich ein Konzept hinter Muskelschwede und das war „Komm wir spielen jeder einfach nur einen Ton, den ganzen Song lang“.

Flo: Noise und interessanten Krach finden wir gut. Im Proberaum. Wenn wir uns einfach nur treffen.

motor.de: „Music makes the people come together“ heißt es im Track „Doom1“ – seht ihr euch in der Rolle der Botschafter?

Basti: Das ist ein Madonna-Zitat – also nicht mehr als Spaß. Es geht eigentlich nur um Szene und Musik. Wie Menschen in Musik etwas hinein interpretieren und sich dann hinterher zu Szenen zusammenschließen und sich dann über Akkordfolgen und Stilrichtungen eine Identität schaffen. Das ist unser Spaß darüber.

Flo:
Botschafter wäre ja, wenn man den Menschen eine Sache näher bringen möchte. Ich glaube wir sind eher das Gegenteil: Wir würden uns darüber lustig machen. Wenn die Leute zu einen Konzert gehen, dann wollen die das gut finden. Und wenn nicht, dann gehen sie eben wieder. Sich hinzustellen und zu sagen „Ja, wie haben voll die Message, zieht euch das mal rein“-das wäre am falschen Platz.

Interview: Julia Kindel